Ein
Vergleich "Ich bin der Melancholicus in der Familie"
Fürst Pückler über Fürst Pückler.
"Ich habe schon vor langer Zeit eine Fassade aufgebaut,
hinter der ich meine Unsicherheit verstecken kann, meinen
Mangel an Selbstwertgefühl, und diese Fassade ist hundertmal
größer als ich selbst."
Robbie Williams über Robbie Williams.
Von Juan Moreno
Fürst
Hermann von Pückler-Muskau und Robbie Williams hätten
sich wahrscheinlich gut verstanden. Fürst Pückler
starb vor über 130 Jahren, aber würde er heute noch
leben, Pückler hätte bei einem Treffen der beiden
vielleicht gesagt, dass Robbie Williams noch viel lernen müsse,
was Frauen angehe dass er aber auf dem richtigen Weg sei.
Frauen: Es gab wohl nicht viel, wovon Fürst Pückler
mehr verstand.
Vielleicht ist es falsch beide miteinander zu vergleichen.
Pückler war ein hervorragender Landschaftsarchitekt und
sein 1834 erschienenes Tutti- Frutti" war neben den Werken
von Christian August Vulpius, einer Art Pulp- Fiction-Autor
des frühen 19. Jahrhunderts, das meist gelesenene Buch
Berlins. Robbie Williams ist ein englischer Popstar, der viele
Plat-ten verkauft, und dessen Mutter erst eine Kneipe führte,
und später für die britische Regie-rung als Suchtberaterin
arbeitete. Zwei Männer, die mehr als ein Jahrhundert
trennt. Beide auf ihre Art erfolgreich, beide berüchtigt,
beide Protagonisten der Klatschspalten. Ein Ad-liger, dem
zurzeit in Berlin die Ausstellung Fürst Pückler
und die Frauen" gewidmet ist, und ein junger Mann aus
Manchester, von dem in wenigen Tagen die Tournee-Dokumentation
Nobody Someday" in die Läden kommt. Es ist schwer
zu sagen, warum man an den einen denken muss, wenn man über
den anderen liest. Es könnte daran liegen, dass beide
wie Rudolf Augstein es im Falle des Fürsten Pückler
formulierte sich dem ih-nen bekömmlichen Teil der Manneskraft"
widmen, mit anderen Worten, dass jeder für sich ein unglaublicher
Schürzenjäger ist oder war.
In England sagen die Mädchen, dass Robbie Williams cheeky"
sei, was auf Deutsch frech bedeutet. Cheeky finden es Männer
wohl, dass laut einer Umfrage die meisten englischen Frauen
sofort mit Williams schlafen würden, obwohl er und die
Frauen sagen, dass er nicht übermäßig hübsch
sei. Er habe was, sagen sie, und es fällt den Frauen
sehr schwer, es nä-her zu beschreiben. Was immer es sein
möge, viele Männer wünschen sich, man könnte
es in Flaschen abfüllen und in der Apotheke kaufen. Mit
wie vielen Frauen Williams bereits etwas hatte, weiß
er vermutlich nicht mal selbst. Mel C., Kylie Minogue, Geri
Halliwell, Andrea Corrs, Nicole Appleton, Nicole Kidman, Rachel
Hunter er muss wie ein Gottesge-schenk für die englische
Boulevardpresse sein.
Wie Williams hielt sich auch Pückler für nicht besonders
attraktiv. In einem Brief schreibt er: Ich bin ohne schönes
Gesicht und vorteilhafte Gestalt." Dennoch sagte seine
Freundin und Biographin Ludmilla Assing, dass er mehr Liebesverhältnisse
gehabt habe, als Don Juan und Jupiter zusammengenommen."
Pückler nannte man zu seiner Zeit Bonvivant",
manchmal auch den tollen Pückler". Es war nicht
als Kompliment gemeint.
Es sagt womöglich viel über Preußen aus, dass
noch heute bekannt ist, wer der berüchtigste Feldherr
(Moltke), der größte Architekt (Schinkel), der
wichtigste Reichskanzler (Bis-marck) war, aber nur wenige
den größten Frauenhelden der preußischen
Geschichte ken-nen. Die Autorin Bettina von Arnim, die Schriftstellerin
Sophie Gay, die Opernsängerin Henriette Sontag, die abessinische
Sklavin Machuba, die Übersetzerin Sarah Austin all diese
Frauen, und noch viele, viele weitere, liebte Pückler,
und sie liebten ihn. Theodor Fontane schrieb über ihn:
Wenn Pückler in einen Raum kam, war er sofort Mittelpunkt,
nicht weil er Fürst war, sondern weil er Pückler
war." Auch Goethe bemerkte, dass Pück-ler die Aufmerksamkeit
von Frauen und Mädchen erregt. Pückler zieht an
und wird ange-zogen."
Wie unkontrolliert die Hormone des Fürsten in Wallung
geraten konnten, zeigt die Bezie-hung zu Helmine, einem sehr
attraktiven, sechzehnjährigen Mädchen, das auch
König Friedrich Wilhelm III. gefiel. Fürst Pückler
war 32 Jahre alt und flirtete sehr mit der jun-gen Helmine.
Sie ging nur zögernd darauf ein, denn sie war die Pflegetochter
von Lucie, also der Frau, die Fürst Pückler kürzlich
geheiratet hatte. Es war noch kein Jahr her, da war er mit
einer Kutsche, vor die er Hirsche hatte spannen lassen, vor
das Berliner Café Kranzler gefahren , um dieser Lucie
zu imponieren. Treue war ein Charakterzug, der ihm völlig
fremd war. Er hat es nicht einmal versucht. Dafür fand
er an exzentrischen Auftritten
mit Kutschen Gefallen. In London ließ er eine mit Aras
füllen und sie vor das Haus einer Angebeteten fahren.
Die Dame hatte erwähnt, dass sie Papageien möge.
Pückler stammte von einem schlesischem Adelsgeschlecht
ab. Er wurde als Erbe der Gü-ter Branitz und Muskau geboren,
die etwa 120 Kilometer südöstlich von Berlin liegen.
Er war ein renitentes Kind, das mit sechzehn Jahren den Eltern
mitteilte, dass er seine Erzie-hung als beendet ansah. Im
Übrigen habe er nicht vor, sich der Juristerei zu widmen.
Ver-ständlicherweise. In seinem Leben soll sich Pückler
acht Mal duelliert haben obwohl das in Preußen verboten
war. Einmal griff er den Grafen Colloredo, Sohn des österreichischen
Chefministers mit der Reitpeitsche an. Ein anderes Mal duellierte
er sich mit Oberst von Kursell in Paris.
Die Sache wurde im Vorfeld ausgiebig in der Presse diskutiert.
Pückler, der erfahren war im Duell, beließ es bei
einer leichten Verletzung für den Oberst.
In dem schönen Buch Beweglich wie der Schmetterling,
Fürst Pückler und die Frauen" schreiben Nicole
Berthy und Michael Brey über die, nach ihrer Meinung
besonders wichti-ge Eigenschaft Pücklers, seine Wandlungsfähigkeit.
Der Fürst liebte es, sich zu exponieren, ohne je fassbar
zu sein. Es ging bei Pückler nicht ohne Verkleidung,
Fragmentierung, Spiegelung und ironische Brechung" eine
Beschreibung, die jeder Musikredakteur auch für Robbie
Williams akzeptieren würde. Die Zeitschrift Max schrieb
über ihn als den Meis-ter der Identitäten-Inszenierung".
Im Video Millennium" war Williams James Bond, in Supreme"
imitierte er den Rennfahrer Jackie Stewart und als im November
das ZDF das Williams-Konzert aus der Londoner Royal Albert
Hall übertrug, sahen deutsche Fernseh-zuschauer ein 28-Jährigen,
der sich Mühe gab, wie Frank Sinatra zu sein.
Neben den Frauen und dem Landschaftsbau, hatte Pückler
eine große Leidenschaft das Schreiben. Vor allem das
Schreiben von Liebesbriefen. Da er aber sehr vielen Frauen
gleichzeitig schreiben musste, legte er sich eine Sammlung
an, die den Namen hat Conzep-ten alter Liebesbriefe".
Er notierte darauf bey Gelegenheit wieder zu benutzen".
Klare, ein-dringliche Formulierungen, die den Damen schmeichelten
und ihn ökonomisch ans Ziel brachten. Es sind poetische
Briefe, manchmal auf französisch, die ihre Wirkung nur
selten verfehlen.
Ich habe mit der Schreiberei angefangen, als ich noch bei
Take That war. Ich werde nie vergessen, wie ich voll war und
mir Bono und George Michael geschnappt habe und sie dazu gebracht
habe, mit mir in ein anderes Zimmer zu gehen und sich meine
Gedichte an-zuhören." Das sagt Robbie Williams in
dem Buch, das er letztes Jahr zu seiner Tourne ver-öffentlicht
hat. Und als Nicole Kidman gefragt wurde, was genau zwischen
ihr und Willi-ams gelaufen war, antwortete sie, dass sie nur
Freunde seien. Aber wissen Sie, er hat mir einen Liebesbrief
geschrieben. Ich wusste ja gar nicht, wie wunderbare Liebsbriefe
er schreiben kann.
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V2.05 [2002-01-28]