Hermann (Ludwig Heinrich)
Fürst von Pückler-Muskau

Fürst Pückler der größte Gigolo, den Berlin je hatte, wäre ein prima
Kumpel für Robbie Williams gewesen.

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Montag, 1. Juli 2002
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Ein Vergleich
"Ich bin der Melancholicus in der Familie"
Fürst Pückler über Fürst Pückler.
"Ich habe schon vor langer Zeit eine Fassade aufgebaut, hinter der ich meine Unsicherheit verstecken kann, meinen Mangel an Selbstwertgefühl, und diese Fassade ist hundertmal größer als ich selbst."
Robbie Williams über Robbie Williams.
Von Juan Moreno

Fürst Hermann von Pückler-Muskau und Robbie Williams hätten sich wahrscheinlich gut verstanden. Fürst Pückler starb vor über 130 Jahren, aber würde er heute noch leben, Pückler hätte bei einem Treffen der beiden vielleicht gesagt, dass Robbie Williams noch viel lernen müsse, was Frauen angehe dass er aber auf dem richtigen Weg sei. Frauen: Es gab wohl nicht viel, wovon Fürst Pückler mehr verstand.
Vielleicht ist es falsch beide miteinander zu vergleichen. Pückler war ein hervorragender Landschaftsarchitekt und sein 1834 erschienenes Tutti- Frutti" war neben den Werken von Christian August Vulpius, einer Art Pulp- Fiction-Autor des frühen 19. Jahrhunderts, das meist gelesenene Buch Berlins. Robbie Williams ist ein englischer Popstar, der viele Plat-ten verkauft, und dessen Mutter erst eine Kneipe führte, und später für die britische Regie-rung als Suchtberaterin arbeitete. Zwei Männer, die mehr als ein Jahrhundert trennt. Beide auf ihre Art erfolgreich, beide berüchtigt, beide Protagonisten der Klatschspalten. Ein Ad-liger, dem zurzeit in Berlin die Ausstellung Fürst Pückler und die Frauen" gewidmet ist, und ein junger Mann aus Manchester, von dem in wenigen Tagen die Tournee-Dokumentation Nobody Someday" in die Läden kommt. Es ist schwer zu sagen, warum man an den einen denken muss, wenn man über den anderen liest. Es könnte daran liegen, dass beide wie Rudolf Augstein es im Falle des Fürsten Pückler formulierte sich dem ih-nen bekömmlichen Teil der Manneskraft" widmen, mit anderen Worten, dass jeder für sich ein unglaublicher Schürzenjäger ist oder war.
In England sagen die Mädchen, dass Robbie Williams cheeky" sei, was auf Deutsch frech bedeutet. Cheeky finden es Männer wohl, dass laut einer Umfrage die meisten englischen Frauen sofort mit Williams schlafen würden, obwohl er und die Frauen sagen, dass er nicht übermäßig hübsch sei. Er habe was, sagen sie, und es fällt den Frauen sehr schwer, es nä-her zu beschreiben. Was immer es sein möge, viele Männer wünschen sich, man könnte es in Flaschen abfüllen und in der Apotheke kaufen. Mit wie vielen Frauen Williams bereits etwas hatte, weiß er vermutlich nicht mal selbst. Mel C., Kylie Minogue, Geri Halliwell, Andrea Corrs, Nicole Appleton, Nicole Kidman, Rachel Hunter er muss wie ein Gottesge-schenk für die englische Boulevardpresse sein.
Wie Williams hielt sich auch Pückler für nicht besonders attraktiv. In einem Brief schreibt er: Ich bin ohne schönes Gesicht und vorteilhafte Gestalt." Dennoch sagte seine Freundin und Biographin Ludmilla Assing, dass er mehr Liebesverhältnisse gehabt habe, als Don Juan und Jupiter zusammengenommen." Pückler nannte man zu seiner Zeit Bonvivant",
manchmal auch den tollen Pückler". Es war nicht als Kompliment gemeint.
Es sagt womöglich viel über Preußen aus, dass noch heute bekannt ist, wer der berüchtigste Feldherr (Moltke), der größte Architekt (Schinkel), der wichtigste Reichskanzler (Bis-marck) war, aber nur wenige den größten Frauenhelden der preußischen Geschichte ken-nen. Die Autorin Bettina von Arnim, die Schriftstellerin Sophie Gay, die Opernsängerin Henriette Sontag, die abessinische Sklavin Machuba, die Übersetzerin Sarah Austin all diese Frauen, und noch viele, viele weitere, liebte Pückler, und sie liebten ihn. Theodor Fontane schrieb über ihn: Wenn Pückler in einen Raum kam, war er sofort Mittelpunkt, nicht weil er Fürst war, sondern weil er Pückler war." Auch Goethe bemerkte, dass Pück-ler die Aufmerksamkeit von Frauen und Mädchen erregt. Pückler zieht an und wird ange-zogen."
Wie unkontrolliert die Hormone des Fürsten in Wallung geraten konnten, zeigt die Bezie-hung zu Helmine, einem sehr attraktiven, sechzehnjährigen Mädchen, das auch König Friedrich Wilhelm III. gefiel. Fürst Pückler war 32 Jahre alt und flirtete sehr mit der jun-gen Helmine. Sie ging nur zögernd darauf ein, denn sie war die Pflegetochter von Lucie, also der Frau, die Fürst Pückler kürzlich geheiratet hatte. Es war noch kein Jahr her, da war er mit einer Kutsche, vor die er Hirsche hatte spannen lassen, vor das Berliner Café Kranzler gefahren , um dieser Lucie zu imponieren. Treue war ein Charakterzug, der ihm völlig fremd war. Er hat es nicht einmal versucht. Dafür fand er an exzentrischen Auftritten
mit Kutschen Gefallen. In London ließ er eine mit Aras füllen und sie vor das Haus einer Angebeteten fahren. Die Dame hatte erwähnt, dass sie Papageien möge.
Pückler stammte von einem schlesischem Adelsgeschlecht ab. Er wurde als Erbe der Gü-ter Branitz und Muskau geboren, die etwa 120 Kilometer südöstlich von Berlin liegen. Er war ein renitentes Kind, das mit sechzehn Jahren den Eltern mitteilte, dass er seine Erzie-hung als beendet ansah. Im Übrigen habe er nicht vor, sich der Juristerei zu widmen. Ver-ständlicherweise. In seinem Leben soll sich Pückler acht Mal duelliert haben obwohl das in Preußen verboten war. Einmal griff er den Grafen Colloredo, Sohn des österreichischen Chefministers mit der Reitpeitsche an. Ein anderes Mal duellierte er sich mit Oberst von Kursell in Paris.
Die Sache wurde im Vorfeld ausgiebig in der Presse diskutiert. Pückler, der erfahren war im Duell, beließ es bei einer leichten Verletzung für den Oberst.
In dem schönen Buch Beweglich wie der Schmetterling, Fürst Pückler und die Frauen" schreiben Nicole Berthy und Michael Brey über die, nach ihrer Meinung besonders wichti-ge Eigenschaft Pücklers, seine Wandlungsfähigkeit. Der Fürst liebte es, sich zu exponieren, ohne je fassbar zu sein. Es ging bei Pückler nicht ohne Verkleidung, Fragmentierung, Spiegelung und ironische Brechung" eine Beschreibung, die jeder Musikredakteur auch für Robbie Williams akzeptieren würde. Die Zeitschrift Max schrieb über ihn als den Meis-ter der Identitäten-Inszenierung". Im Video Millennium" war Williams James Bond, in Supreme" imitierte er den Rennfahrer Jackie Stewart und als im November das ZDF das Williams-Konzert aus der Londoner Royal Albert Hall übertrug, sahen deutsche Fernseh-zuschauer ein 28-Jährigen, der sich Mühe gab, wie Frank Sinatra zu sein.
Neben den Frauen und dem Landschaftsbau, hatte Pückler eine große Leidenschaft das Schreiben. Vor allem das Schreiben von Liebesbriefen. Da er aber sehr vielen Frauen gleichzeitig schreiben musste, legte er sich eine Sammlung an, die den Namen hat Conzep-ten alter Liebesbriefe". Er notierte darauf bey Gelegenheit wieder zu benutzen". Klare, ein-dringliche Formulierungen, die den Damen schmeichelten und ihn ökonomisch ans Ziel brachten. Es sind poetische Briefe, manchmal auf französisch, die ihre Wirkung nur selten verfehlen.
Ich habe mit der Schreiberei angefangen, als ich noch bei Take That war. Ich werde nie vergessen, wie ich voll war und mir Bono und George Michael geschnappt habe und sie dazu gebracht habe, mit mir in ein anderes Zimmer zu gehen und sich meine Gedichte an-zuhören." Das sagt Robbie Williams in dem Buch, das er letztes Jahr zu seiner Tourne ver-öffentlicht hat. Und als Nicole Kidman gefragt wurde, was genau zwischen ihr und Willi-ams gelaufen war, antwortete sie, dass sie nur Freunde seien. Aber wissen Sie, er hat mir einen Liebesbrief geschrieben. Ich wusste ja gar nicht, wie wunderbare Liebsbriefe er schreiben kann.
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V2.05 [2002-01-28]

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"Ich bin der Melancholicus in der Familie"
Fürst Pückler über Fürst Pückler.