Wir
erinnern
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17.6.2004
17.6.1854 - Vor 150 Jahren
Henriette Sontag, Sängerin, gestorben
Von Sabine Fringes |
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Flügel
(Foto: AP)
Nein, ich ertrag' den Wahnsinn nicht länger! Hier bei
Ihnen hofft' ich doch vor der ewigen Sontag-Sontag-Sontag
Ruhe zu finden, und nun fangen auch Sie von ihr an, noch ehe
ich meinen Hut abgelegt habe... ich muss auf einige Zeit fort
von hier, andere Lüfte atmen - die hiesige Sontag-Epidemie
bringt mich um.
Vom
Komponisten Ludwig Berger stammen diese Zeilen über die
Begeisterung, die seine Zeitgenossen angesichts der jungen
Sängerin Henriette Sontag ergriffen hatte.
Goethe
nannte sie "seine flatternde Nachtigall", die
Berliner tauften sie die göttliche Jette und der König
empfing sie zu Privataudienzen. Huldigungsgedichte ohne Zahl
entstanden und all der Tumult regte die spitzen Federn der
Satiriker zu ganzen Theaterstücken über den Sontags-Kult
an.
Ein pietistischer Prediger grollte in holperndem Versmaß:
Wie
preist man sie nicht als der Oper Zierde
und sie vergöttert mancher gute Christ.
O, dass d e r Sonntag so gefeiert würde,
wie es d i e Sontag ist.
Henriette
Sontag wird am 3. Januar 1806 als Kind eines Schauspielerehepaars
in Koblenz geboren. Mit fünf schon steht sie auf
der Bühne und drei Jahre später präsentiert
sie ihre Naturstimme in einem Singspiel. Während ihres
Gesangsstudiums am Prager Konservatorium wird Carl Maria von
Weber auf sie aufmerksam und überträgt der 17jährigen
die Titelpartie seiner Oper "Euryanthe".
Zwei
Jahre später schon erregt sie größtes Aufsehen
bei ihrem Debüt in Berlin als Isabella in Rossinis "Italienerin
in Algier". Vierzig mal wiederholt sie dort diese
Rolle, die als eine ihrer größten gilt. Von da
an steht ihrer Karriere nichts mehr im Weg. Nach Wien und
Berlin folgen nur kurze Zeit später ebenso umjubelte
Debüts in Paris und London.
Henriette
Sontag bevorzugte stets die leichten und brillanten Rollen,
wie zum Beispiel die Susanna in "Figaros Hochzeit",
die Titelfigur in Rossinis "Semiramide" und die
Amina in "La Sonnambula" von Bellini.
Das Kokette, Naive und Anmutige ihres Gesangs traf ganz den
Geschmack ihrer Zeit, den Geschmack des Biedermeiers. Die
Schauspielerin Karoline Bauer über die Kunst der Sontag:
Die
Stimme war weder voll noch stark, aber glockenrein, perlenklar,
silberhell. Und wie süß wusste sie zu trillern,
wie heller Lerchenjubel! Dann wieder brillierte ihre eigentümliche,
hohe Kopfstimme in den schwierigsten Passagen- so präzis
wie eine zierliche Flötenuhr! Und das alles kam so spielend
leicht und mühelos aus dem zierlichen Mündchen hervor,
dass der Hörer sich mit vollem Behagen dem Genuss hingeben
konnte.
Nach
dieser Beschreibung könnte der Gesang von Henriette
Sontag in etwa so geklungen haben wie der von der Primadonna
Maria Ivogün, eine der letzten großen Vertreterinnen
des lyrischen Koloratursoprans, wie man ihn im 19. Jahrhundert
schätzte:
Mit
ihrem Können galt die Sontag jeder großen Sängerin
ihrer Zeit als gleichwertig oder sogar überlegen. Doch
trotz ihres beispiellosen Erfolgs fühlte sie selbst sich
dem Sänger-Alltag nicht gewachsen.
Ich
bin nun einmal nicht zur Künstlerin geboren, es fehlt
mir alles zur Primadonna.
Als
sie im Alter von 24 Jahren vor die Alternative Sängerin
oder Ehefrau gestellt wird, entscheidet sie sich für
letzteres. Als Frau des Diplomaten Graf Rossi und als Mutter
von sieben Kindern lebt sie fast zwanzig Jahre lang zurückgezogen
von den großen Bühnen, bis ein Schicksalsschlag
sie zwingt, ihre Karriere wieder aufzunehmen: In den Wirren
der Revolutionsjahre von 1848/49 war das Vermögen der
Rossis nahezu aufgezehrt und nun lag es an ihr, für den
Unterhalt der Familie zu sorgen.
Jetzt
zeigt sich, wie tief verankert ihr Ruhm ist: Trotz der langen
Pause kann die mittlerweile 43jährige mühelos an
ihre alten Erfolge anknüpfen, ja diese sogar noch steigern.
Im Jahr 1851 fährt sie nach Amerika, wo sie in den Großstädten
der Neuen Welt für fantastisches Honorar auftritt, bis
die Cholera sie am 17. Juni 1854 mit 48 Jahren von
der Bühne holt.
Quelle:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/wirerinnern/277067/
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