«O
Gott! Wie Deine Küsse noch auf meinen Lippen
brennen - nein, ich will nicht umsonst einen Moment
das Glück gekostet haben, die Wonnen des Himmels,
ich will nicht umsonst gespürt haben, wie Dein
Herz gegen das meine schlägt, Du mußt mich
lieben oder die Erde soll mich verschlingen.»
(Pücklers Damenkorrespondenz)
Er
liebte mit Haut und Haaren, mit voller Seele und hatte
doch genug Liebe für alle Damen: Hermann Fürst
von Pückler-Muskau (1785 - 1871). Er habe mehr
Liebesverhältnisse gehabt als Don Juan und Jupiter
zusammen, schrieb die Biographin Ludmilla Assing,
und mit seinen Affären ging der Fürst ebenso
in die Annalen ein wie als begnadeter Gartenkünstler
und Schriftsteller.
Einblicke
ins komplizierte Seelenleben des Vielgeliebten gibt
die Ausstellung «Pückler und die Frauen»,
die gerade im Schloß Branitz bei Cottbus zu
sehen ist. Allerdings: für alle Herzensdamen
ist der Raum zu klein - es bleibt bei einer Auswahl.
In
seinen zahlreichen Briefen, die er sorgsam kopierte
und verwahrte, bestätigt der Fürst der Nachwelt,
dass seine Vorliebe fürs weibliche Geschlecht
früh begann: «Ich nun, der noch nicht ganz
10 Jahr zählte, verliebte mich unsterblich in
das fromme, schöne Mädchen, und bald machten
wir es möglich, uns an zum Teil wunderlichen
Orten allein zu treffen», schrieb er, und gestand
freimütig: «Aber unschuldig blieb unsere
Liebe nicht. Ich war sehr früh gereift, schon
was man verführt nennt. Mein frommes Mädchen
gleichfalls (...), und auf solche Weise, wie zwei
Mädchen, genossen wir, gewissermaßen in
aller Unschuld, wenigstens ohne Gewissensskrupel und
mit Enthusiasmus Liebe und Wollust unersättlich
(...), fast ein Jahr lang. . . »
Die
frühen erotischen Erlebnisse stehen im Gegensatz
zur strengen Erziehung im lieblosen Elternhaus auf
Schloß Muskau - und sind doch vermutlich Konsequenz
daraus. So begann Pückler mit 15 gar einen Flirt
mit seiner Mutter.
Bei seinen - meist kurzen - Liebschaften ging Pückler
durch alle Gesellschaftsschichten. «In seinem
Herzen fand wahrhaft demokratische Gleichberechtigung
Raum», schrieb die Assing: «Fürstinnen,
Prinzessinnen, Gräfinnen, Hoffräulein, Künstlerinnen,
bürgerliche Kleinstädterinnen und elegante
Weltdamen, Zofen und Mädchen aus dem Volk, schöne
und hässliche, alte und junge lockte er gleichmäßig
in seine Netze, und zwar zu allen Zeiten seines Daseins.»
Den Angebeteten schrieb er poetische Liebesbriefe.
«Kaum weiß ich selbst, was ich schreibe,
Tränen unterbrechen mich bei jeder Zeile, und
ich habe keinen Wunsch, als zu Ihren Füßen
zu sterben.» Antworten wie «vor Entzücken
über den himmlischen Brief bin ich außer
mir», die der 75-Jährige von der jungen
Ada von Treskow erhielt, mögen Pückler,
der seine Liebesbrief-Entwürfe aufhob, um sie
«bei Gelegenheit wieder zu benutzen»,
sehr gefallen haben.
Als Chamäleon bezeichneten die Frauen Pückler,
der sich stets anders darstellte. Er selbst sah sich
als Komödiant. «Und würde ich 100
Jahre alt werden, dies wird das Wesentliche meines
Charakters bleiben», erkannte er selbstkritisch,
«vielfach töricht, niemals weltklug, Sklave
der Stimmung, mutwillig und schwärmerisch, heute
sinnlich, morgen innerlich, vor allem immer mit Welt
und Leben spielend (...). So bin ich zum Reisen geschaffen
wie der Komet.»
Pückler, bemerkte die Autorin Ida Hahn-Hahn,
sei einer der Männer, mit dem die Frau «ewig
Komödie spielen muss, um Freund mit ihm zu bleiben».
Das ständige Entziehen war typisch für den
Fürsten, der alles vergaß, wenn es um Frauen
ging. «Die Gräfin G. ist ein wahrer Engel!
Und ich fürchte, ich werde über diese lebendige
Schönheit alle Antiquitäten und Naturwunder
im Stich lassen!», notierte er während
einer Italienreise ins Tagebuch, ergänzte aber
erleichtert, «dass die große Passion,
welche mich dort ergriff, italienischer Natur war,
d.h. in drei Monaten geboren, gewachsen und geendet.»
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Pückler
wechselte die Liebschaften rasch, was gelegentlich
dramatische Folgen hatte. So ertränkte sich Napoleons
Nichte Lätizia Wyse, weil Pückler sie verlassen
hatte, und die Autorin Sarah Austin, die ihm heftige
Liebesbriefe schrieb, hörte damit erst auf, als
Pückler uncharmant drohte, die Briefe zu veröffentlichen.
Fünf
Frauen hatten es dem Exzentriker, der stets vorgab,
nicht älter als 30 zu sein und dafür sogar
sein ergrauendes Haar schwarz nachfärbte, besonders
angetan. Die Wichtigste war Lucie von Pappenheim.
Sie hatte er, 32-jährig, aus finanziellen und
gesellschaftlichen Gründen geheiratet, und zu
ihr entwickelte er rein platonische, aber tiefe Gefühle.
«Als
wir uns heirateten, war sie zwar, aufrichtig gestanden,
etwas verliebt in mich», gestand er, «ich
aber nicht im geringsten in sie, und sagte es ihr
auch unumwunden, dass ich unsere Verbindung nur als
eine Konvenienzheirat ansähe und mir jede Freiheit
vorbehielte.»
Diese
Freiheit kostete er weidlich aus, doch das Band zu
Lucie, die er zärtlich «Schnucke»
nannte, hielt ein Leben lang, auch wenn sich das Paar
- zumindest auf dem Papier - 1826 scheiden ließ:
Pückler, der in argen Geldnöten war, sollte
eine reiche Engländerin heiraten. Die «Schatz-Suche»
sorgte bei Englands Zeitungsmachern für Häme,
Pückler fand sich in zahlreichen Karikaturen.
Heftige
Leidenschaft entwickelte der Fürst zu Helmine,
der 16-jährigen Pflegetochter seiner Frau. Lucie,
frisch mit Pückler verheiratet, war empört.
«Meine Helminomanie ist eine psychologische
Merkwürdigkeit», diagnostizierte Pückler.
Gerade
13 Jahre alt war Machbuba (arabisch ,die Geliebte´),
als Pückler sie auf einem Sklavenmarkt in Karthum
freikaufte und mit in die Lausitz nahm. Lucie reagierte
heftig auf die dunkelhäutige Konkurrentin, die
allerdings schon vor der Ankunft krank wurde und wenig
später starb. Pückler war untröstlich:
«Mir bleibt der bittere Schmerz und eine Sehnsucht,
welche die Zeit vielleicht schwächen, aber nie
mehr befriedigen kann.» Er trauerte monatelang
und beschloss, Muskau zu verkaufen und nach Branitz
zu ziehen.
Eine
Seelenverwandte sah Pückler in Bettina von Arnim,
die ähnlich unkonventionell war wie er. Gerne
schmückte sie sich mit der Bekanntschaft berühmter
Männer, die sie «Liebhaber» nannte.
Als «Gehirnsinnlichkeit» bezeichnete Pückler
ihr Verhältnis, eine Affäre wollte er nicht.
Sie aber schrieb ihm zärtliche Briefe. Pückler
wandte sich an Lucie: «Von der Arnim, der tollen,
habe ich wieder einen langen Brief, wo sie mir droht,
nach Muskau zu kommen. Das fehlte mir noch. Ich bitte
dich um Gotteswillen, dies zu verhüten. Ich vergreife
mich sonst an ihr.»
Eine
der wenigen Frauen, die Pückler abblitzen ließen,
war die Opernsängerin Henriette Sontag. «Sie
würde eine allerliebste Mätresse abgeben»,
konstatierte er, als er sie 1826 erstmals sah. Doch
die Schöne entzog sich dem Annäherungsversuch
und stürzte den Verliebten in tiefe Depressionen.
In seinem Meisterwerk, dem Branitzer Park, widmete
er der Sontag eine goldene Büste.
So
kurz viele der Pücklerschen Affären auch
waren, vielen setzte er ein Denkmal. Luciesee, Großer
Helminenweg, Nachtigallensteig (für Henriette
Sontag), Sophienweg (für die Französin Sophie
Gay), Sarah's Walk (für Sarah Austin) oder Cara's
Pfad (für Machbuba) nannte er Wege im Muskauer
Park. Dabei bewies er augenzwinkernde Phantasie: Im
Schnuckenbeet platzierte er ein rosenumranktes «S»
- von hinten gesehen zeigt es ein Fragezeichen. .
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