Buchpremiere um einen Cottbuser, der ein berühmter Weltbürger
war
Hergehört, Weihnachtsfrauen und -männer, die ihr
lesefreudige und wissbegierige Personen zu beschenken habt!
Es folgt der ultimative Buchtipp für alle zwischen 16
und 100: "Der tolle Pückler" . Die wunderschön
anzusehende und spannend zu lesende Edition aus dem Regia
Verlag erlebte am Mittwoch im Heron Buchhaus Cottbus eine
gut besuchte und mit viel Liebe gestaltete Premiere.
Wer
bisher glaubte, über Pückler alles zu wissen oder,
wenn er will, es schnell erfahren zu können, weil alles
bekannt ist, den schlägt das Buch schnell in seinen Bann.
Wie wollte denn auch einer den ganzen Pückler in seinem
Besitze wähnen, wo doch der Lausitzer Journalist Hans-Hermann
Krönert seit fast fünf Jahrzehnten den Spuren des
Schriftstellers und Gartenkünstlers nachgeht und nachliest
und viele Museumsleute, Wissenschaftler, Forscher und Sammler
helfend an seiner Seite weiß, denen er Dank abstattet.
In der Gesprächsrunde der Buchpremiere, die von IBA-Kurator
Herbert Schirmer, einst DDR-Nachwende-Kulturminister, kundig,
pfiffig und locker moderiert wurde, erzählte Krönert,
wie das begann. Als er 1958 als Redakteur nach Cottbus kam,
drang der Ruf Pücklers bis in Parteiversammlungen. Ein
schlechter Ruf, meinten die leitenden Genossen in dem besonders
linientreuen Bezirk und verlangten ihren Parteimitgliedern,
ob sie Pückler kannten oder nicht, Bekenntnisse ab. Der
Fürst sollte Junker, Ausbeuter, Klassenfeind, Nichtsnutz,
Leuteschinder, Menschenfeind und was sonst noch alles sein.
Krönert: "Die Devise hieß: ,Wer war Pückler,
und wie stehst du zu ihm?' Ich kannte ihn damals nicht, aber
sollte und musste über ihn urteilen. Das war mir Anlass:
Nun wollte ich ganz genau wissen, wer dieser Mann war."
Mittlerweile hat er wohl alles gesichtet, was gefunden und
bekannt ist. Eine Riesenmenge ist das: Die Branitzer Stiftung
führt eine Bibliographie, die heute etwa 2000 Titel verzeichnet.
Aus all dem Schriftgut filterte Hans-Hermann Krönert
Zitate, Anekdoten, Briefe, Selbstzeugnisse und die Meinungen
von Zeitgenossen. Im zweiten Arbeitsgang entnahm er diesem
schier tonnenschweren Material alles, was den "tollen
Pückler" ausmacht. Das ist der Charmeur, der Abenteurer
und Weltreisende, der, wie wir heute sagen würden, Sportler,
der alles der eigenen Eitelkeit zuliebe als Schriftsteller
der Nachwelt überlieferte.
So wissen wir heute, dass Fürst Pückler mit der
Taucherglocke in die Tiefen der Themse reiste, im Ballon in
die Höhen über Berlin, in einer Karawane in die
Weiten Syriens mit den Terrassen von Baalbek und als Passagier
einer Nilbarke auf dem zweitgrößten Fluss der Erde.
Zehnmal hat sich Pückler mit Pistole oder Säbel
duelliert. Legion sind die originellen Eigennamen, die andere
ihm oder Pückler sich selbst zugeordnet haben: u. a.
Beschwörerauge, winziges Ameisenpoetlein, Erdbändiger
oder Goethe der Landschaftsgärtnerei.
Erbaulich seine Briefwechsel mit Ada, Ida, Bettina oder Ludmilla.
Stiftungschef Berthold Ettrich erklärt, dass Briefschreiber
in jenem Jahrhundert nicht auf Treffen aus waren, diesen sogar
aus dem Wege gingen. Die heißen Sympathie- und Liebeserklärung
fanden ihren Orgasmus in treffenden, blumigen Formulierungen
und fantastischen Komplimenten. Wie stimmungsvoll das sein
kann, zeigten zu Beginn der Premiere die jungen Künstler
Momo und Kai-Uwe Kohlschmidt, die Briefe zwischen Pückler
und Biondetta mit elektronischer Atmosphärik, Gesang
und Sprechgesang vortrugen und sich dem Fürsten poetisch
und musikalisch näherten.
Treffliche Anekdoten und Aphorismen (z. B. So ist überall
der Mensch: er setzt großen Männern, wohl aus Eitelkeit,
Bildsäulen, aber ihre Lehren benutzt er selten. ) aus
der fürstlichen Feder setzen den i-Punkt auf diesen Band,
dessen Lese-Landschaft durch Typodesigner Rolf E. Hartmann
zu einer Augenweide wurde. Eben ein tolles Geschenk dieser
"tolle Pückler" !
Hans-Hermann
Krönert: Der tolle Pückler. Regia Verlag Cottbus.
ISBN 3-936092-65-6. 84 Seiten. 20 Euro.
Von
Klaus Wilke Artikel vom 20.12.2002 01:03 Lausitzer Rundschau
Klaus Wilke
Redakteur für Gesundheit, Wissenschaft, Literatur, Geschichte,
Bildung
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