Lady
Hester Stanhope (* 12. März 1776 in Kent;
23. Juni 1839) war eine Abenteuerin. Sagenumwoben und exzentrisch
herrschte sie über ein lokales "Reich" in den
Drusenbergen des Libanon.
Hester
Lucy Stanhope wurde im Jahr der Unabhängigkeit Amerikas
als Tochter des liberalen Politikers und Erfinders Charles
Stanhope geboren. Ihr genialer Vater teilte seine Interessen
zwischen Naturwissenschaften und Politik. Als überzeugter
Whig widersetzte er sich dem Krieg Englands gegen die amerikanischen
Kolonien und begrüßte die Französische Revolution.
Als
Erfinder schuf er die präzise Stanhope-Linse und die
erste ganz aus Eisen gefertigte Druckerpresse, die erst die
Bücher für jedermann erschwinglich machten.
Ihr
Großvater war der Earl of Chatham, ihr Onkel William
Pitt der Jüngere, bei dem sie später Haushälterin
war. Vom Vater, so sagt man, hatte sie ihren scharfen Intellekt
und ihren Gout für Exzentrizität, im Hause des Premierministers
kostete sie vom Geschmack der Macht und der Intrige.
Als
sie nach dem frühen Tode Pitts 1806 ihre herausgehobene
Stellung verlor, mochte sie all das nicht mehr missen, und
zog als eine der Abenteuerinnen der frühen Neuzeit in
den Osten. Im Libanon, wo sie von 1810 an in einem verlassenen
Bergkloster bis zu ihrem Tod, also für fast vier Jahrzehnte,
herrschte und hauste, wurde sie zu Europas "Königin
der Wüste" und "Mystery Lady of the Orient".
Sie
war die erste westliche Frau, die Palmyra betrat und sich
von den Beduinenstämmen als neue Zenobia feiern ließ.
Auf ihrem befestigten Sitz bei Joun nahe Sidon, dessen Reste
noch heute "Deir es Sitt" (Brunnen der Herrin) genannt
werden, intrigierte sie gegen Emir Bashir II., die Hohe Pforte
in Istanbul, den Gouverneur von Tripoli, Mustafa Babar Agha,
und die verschiedensten Drusenfraktionen.
Nach
und nach baute sie das alte Kloster von Joun um, befestigte
es neu, pflanzte einen exotischen Garten und die seltensten
Bäume. Das Wasser dafür musste eine Stunde Wegs
den Berg hinaufgeschleppt werden. Inmitten von pseudoorientalischem
Prunk und vierundzwanzig Katzen, von denen sie je zwei einem
Tierkreiszeichen zuordnete, empfing sie von Zeit zu Zeit europäische
Globetrotter, darunter Alphonse de Lamartine und Fürst
Pückler. Ein napoleonischer Offizier wurde ihr
Favorit. In ihrem Stall standen edle Pferde, darunter ein
weißes Fohlen, auf dem sie in Jerusalem einzureiten
gedachte. Räuberhäuptlinge betraten nächtens
und durch die Fluchtpforte ihr Anwesen mit geheimen Botschaften,
ganze Bergstämme suchten hinter ihren Mauern Schutz.
Sie brandschatzte einmal ein Dorf, dabei sollen Dutzende von
Einwohnern ums Leben gekommen sein. Die englische Gesellschaftspresse
verfolgte und druckte ihre Eskapaden. Doch sie wurde nicht
nur zunehmend abgehobener, sondern auch krank und schwach.
Zudem hatte sie sich hoffnungslos überschuldet. Nach
und nach verkaufte sie ihr Inventar und musste ihre Bediensteten
entlassen. Sie starb einsam. Der englische Konsul, der auf
die Nachricht hin von Beirut hergereist kam, fand den Platz
verlassen und Lady Hester mit nichts als ihrem Schmuck auf
dem Leib. Er ließ sie in der Nähe unter Sykomoren
begraben.
In
einem Jahrhundert der Revolutionen und Erneuerungen, der Aufklärung
und der technischen Umwälzungen vertraten sie und ihr
Bruder (der einen ziemlich mysteriösen Part in Deutschland
als Pate Kaspar Hausers spielte), mehr die okkult-retrograde
Seite.
Quelle: www.netzwelt.de/lexikon/Hester_Stanhope.html
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