Eigentlich
Wahnsinn im Fürst-Pückler-Park
Von Gerhard Fugmann
Bühne.
Das Staatstheater Cottbus präsentiert seinen Spielplan.
Diie
Idee ist ziemlich einfach und nicht so richtig neu. Aber Intendant
Martin Schüler vertritt sie seit seinem Amtsantritt konsequent.
Es hat ja schon Komödianten-Touren gegeben, die durch
die Stadt polterten, Inszenierungs-Häppchen in Einkaufspassagen
und was noch alles. Die Resonanz war nie schlecht, eher gut.
Doch
im vorigen Jahr sollen es 8 000 gewesen sein, die den berühmten
Landschaftspark am Rande von Cottbus durchquerten, am vergangenen
Sonnabend vielleicht noch mehr, um die Spielplan-Präsentation
des Cottbuser Staatstheaters zu erleben. An eine bessere Kulisse
ist auch kaum zu denken. Den Technikern, Ausstattern, Requisiteuren
und Helfern werden nur mehr Findigkeit und Engagement abgefordert,
als am Schillerplatz. Sie nehmen es dennoch locker. Dem Vier-Sparten-Ensemble
wird die Tour ja auch zur Nagelprobe.
Sich
als Mimen und Gesangskünstler in solche Nähe zum
Publikum zu begeben, könnte waghalsig sein. Doch der
Spaziergang des Don Carlos wird dank Gunnar Golkowski zum
begeisternden Live-Erlebnis. Er spielt seine Rolle nicht,
er ist Carlos. Ein paar Wegbiegungen weiter flirten Sebastian
Reusse und Paul Grill mit Anna Trimper und Teresa Waas, als
wären sie ganz unter sich. Die Leute bleiben amüsiert
stehen. Für passionierte Theatergänger Wiederbegegnungen.
Grill das war doch der Ferdinand in Kabale und
Liebe und Reusse, wo sah ich den doch gleich? Wer will,
kann raten, welches Stück ihm die Vier gerade präsentieren.
Und wem die Andeutungen gefallen, der könnte schon mal
einen amüsanten Winterabend mit der Uraufführung
von Sommerliebe planen...
Mit
fast zwanzig Spielorten offeriert das Staatstheater sein Saison-Angebot
und setzt dem Ganzen die festliche Krone auf, wenn sich am
Ende eine musikalische Bonboniere auf der Schloss-Terrasse
öffnet. Siebzehn Neuinszenierungen sind bis zum Sommer
des nächsten Jahres zu erwarten. Dass Schüler sein
Musiktheater bevorzugt, bestätigt sich dabei nicht. Die
Stück-Auswahl im Schauspiel hält die Waage. Das
Spektrum reicht von der gesellschaftskritischen Klassik mit
Schillers Don Carlos, bis zur politischen Fragwürdigkeit
von Mein Kampf und der Farce Nackter Wahnsinns
als unbedarft-heiterer Saison-Schlusspunkt. Sie dürften
die Feindliche Übernahme assimilieren, obwohl
es sich da um keine deutsch-deutsche Anspielung, sondern um
Kidnapping light handelt.
Ob
Bettina Jahnke als die neue Oberspielleiterin in der Dramatik
Zeichen setzt, ist abzuwarten. Ihre Chancen liegen in einer
Truppe, die kann, was von ihr gefordert wird. Peer Gynt,
Ibsens dramatisches Gedicht in der musikalischen Version Edvard
Griegs, lässt hoffen. Dem Musikfan bieten sich Highlights
mit Verdis Macht des Schicksals als Paukenschlag
im Spielzeit-Auftakt. Wenig später gleich Tschaikowskis
Schwanensee in Koproduktion mit dem Poznaner Opernballett.
Spannung setzen Intendant Schülers Rheinnixen,
eine für Mai geplante Offenbach-Entdeckung.
Die
Park-Präsentation weckte Neugier, erlaubt auch Spekulationen
über Besucherströme, wenn sich alles schon mal um
Papageno mit der Zauberflöte drängt.
Zusammengenommen empfanden viele als Wahnsinn, was da passierte.
Nicht die geistige Verwirrung und nicht den Nackten Wahnsinn,
sondern höchste Begeisterung.