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Jahre Weißwasser / Personen der Zeitgeschichte
Nicht nur in Bad Muskau, in dessen Schloss Pückler
geboren wurde und viele Jahre zu Hause war, hatte der Fürst
seine Spuren hinterlassen. Auch in den zur Standesherrschaft
Muskau gehörenden Dörfern ist er tätig gewesen.
1782 übernahm durch Heirat die Familie Pückler die
Standesherrschaft Muskau. Hier wurde auch Hermann (1785 bis
1872), ab 1822 Fürst, geboren und kam so als späterer
Erbe des Grundbesitzes mit Weißwasser in Verbindung.
Fürst Pückler im orientalischen Gewand.Pücklers
Jagdschloss wurde durch seinen Nachfolger, Prinz Friedrich
der Niederlande, um 1850 umgebaut.Fürst Pückler,
zwar ungewollt, stellt Weichen zu Weißwassers Weltruhm
in der Glaserzeugung. Als die Standesherrschaft Muskau infolge
der Niederlage Napoleons unter die Oberherrschaft Preußens
kam, wurde auch hier per Gesetz die Abschaffung der Leibeigenschaft
angeordnet. Die Bauern sollten für ihre Ablösung
dem Grundherrn einen bestimmten Geldbetrag zahlen. Die Bewohner
Weißwassers hatten aber so viel Geld nicht und wollten
anstelle ein Drittel ihres Landes geben. Pückler missfiel
der Vorschlag, denn er brauchte Geld, Land hatte er genug.
Nach vielen Jahren der Verhandlung musste der Fürst nun
einsehen, dass er entweder Land oder gar nichts bekommen könne.
Gut
nutzbar sein
Das Land, das Pückler von den Bauern im Rahmen der Abschaffung
der Leibeigenschaft erhalten sollte, musste aber wenigstens
für ihn gut nutzbar sein. Zum einen wollte er damit seinen
Jagdpark, den Tiergarten um das Jagdschloss, erweitern. Zum
anderen beabsichtigte er, die Wasserflächen im und um
das Dorf Weißwasser für eine gewinnbringende Fischwirtschaft
zu verwenden. Die von jeder Bauernwirtschaft erhaltenen Landflächen
sollten so zusammengelegt werden, dass nur wenige aber dafür
große Flächen entstanden. Wege mussten somit neu
verlegt und begradigt werden, wodurch im Wesentlichen die
Grundstruktur des heutigen Straßenverlaufes der Stadt
entstand.
Damit der Wald wieder geschlossenes herrschaftliches Jagdgebiet
werden konnte, wurden aus dem Tiergarten elf Bauernwirtschaften
in den Ort Weißwasser verlegt. Sogar die Obstbäume
sollten die Bauern von ihren Grundstücken im Wald mitnehmen.
Das herrschaftliche Ziege leigrundstück an der heutigen
Ziegelstraße und das Land der herrschaftlichen Förste
rei Hermannsdorf an der Hermannstraße wurden vergrößert.
Die im Ort gelegenen Teiche standen weiterhin als Exklaven,
umgrenzt von Bauernland, der herrschaftlichen Fischwirtschaft
zur Verfügung und wurden, wie einiges Forstland, dem
fürstlichen Vorwerk in Weißwasser unterstellt.
Die Vergrößerung und Gestaltung des Tiergartens
zum Jagdparadies gefiel seinem Nachfolger, dem Prinzen der
Niederlande, sehr gut, so dass er einen privaten Weg von Schloss
Muskau nach dahin zum Jagdschloss anlegen ließ. Dieser
Prinzenweg wiederum fixierte den Standort des heutigen Bahnhofs,
der wesentlich für die Anlage der nachfolgenden Glashütten
war.
Die Vergrößerung des Ziegeleigrundstücks führte
zur Erhöhung ihrer Leistungskraft. Neue Tonlagerstätten
wurden aufgespürt. Weitere Ziegeleien folgten, die zum
Bau der Glashüttengebäude und der Wohnhäuser
der entstehenden Industriegemeinde Weißwasser nötig
waren.
Die in fürstlicher Hand gebliebenen Teiche im Ort verlandeten
oder deren Wasser wurde später abgeleitet. Hier entstanden
Bergbaumulden zum Abbau von Braunkohle. Das reiche Vorkommen
von Braunkohle und Quarzsand war schließlich bedeutsam
für die Entscheidung zur Anlage von Glashütten.
Fürst Pückler wurde, wenn auch widerwillig und unbeabsichtigt,
zum maßgeblichen Weichensteller für die spätere
Entwicklung des Ortes Weißwasser und seiner Industrie.
Der
einzige Jagdpark
Am westlichen Stadtrand besitzt Weißwasser eine Einmaligkeit,
es ist der einzige Jagdpark, den der Landschaftsgestalter
Fürst Pückler anlegen ließ. Dieses Gebiet
hatte schon damals eine lange Tradition herrschaftlichen Weidwerkes.
Der urwüchsige Wald vermittelt noch heute durch sein
spezielles Ambiente einen besonderen Reiz. Die slawischen
Ureinwohner, noch lange vor den Deutschen, suchten hier ihren
"Heiligen Hain" , ein gehütetes Waldstück,
zu religiösen Handlungen auf. Nachdem die Deutschen das
Land im 10. Jahrhundert erobert hatten, führten sie das
Christentum ein. Die slawischen Ureinwohner hatten nun die
zu diesem Zweck in Berg bei Muskau errichtete Kirche aufzusuchen.
Der Urwald am "Heiligen Hain" diente ab dieser Zeit
der deutschen Herrschaft in Muskau als Jagd-Eldorado. Hier
entstand um 1680 ein kleines Jagdhaus für Jagdandachten,
auch wurde der umliegende Wald als Wildgehege eingezäunt
und in der folgenden Zeit mehrfach vergrößert.
Nachdem Fürst Pückler die Standesherrschaft Muskau
von seiner Mutter erbte, begann er die unmittelbare Umgebung
des Jagdhauses parkähnlich zu gestalten. Besonders die
Anlage der Schlosswiese im englischen Landschaftsstil ist
noch heute bemerkenswert, wogegen die darum herum liegenden
Waldflächen naturbelassen wurden, um den urwüchsigen
Charakter zu erhalten. Nur an vereinzelten Stellen, wie am
in der Nähe des Schlosses befindlichen Waldweiher, nahm
Pückler Landschaftsgestaltungen vor, wobei der urwaldartige
Waldhabitus eher noch betont wurde. Auch ließ der Fürst
einen eigenen, den Grünen Weg, durch den Wald schlagen,
der die interessantesten Partien bis zum Schloss berührt
und in seiner leicht geschlungenen Führung noch heute
auf den Wanderer einen besonderen Eindruck hinterlässt.
Pückler bemerkte dazu: ". . . dass man hier schönes
altes Holz aus größtenteils Eichen, Fichten und
Kiefern von seltener Größe vorfinden kann. Letztere
gleichen hier mehr den Pinien Italiens als den einheimischen
Föhren. . ." Ganz besonders wies er auf das Heidel-
und Preiselbeerkraut, die Farnkräuter und den wilden
Rosmarin hin, der diesen Wald besonders frisch und lieblich
machte und ihm einen eigentümlichen Reiz gab. An anderer
Stelle wies er darauf hin, dass dieser Tiergarten, dessen
Schloss geräumige Wohnungen für viele Jagdgäste
enthält, haupt sächlich zu Hirsch-bzw. Sau- und
Rehjagden benutzt wird. Die interessanteste Jagd, so stellte
Pückler fest, ist die immer seltener werdende Auerhahnbalz.
Sie besteht hier noch in seiner größten Vollkommenheit,
so dass man schon 40 bis 50 Auerhähne im Bezirk des Parks
auf einmal balzen gehört hat, bemerkte er weiter. "Für
das Beschleichen des anderen Wildes. . ." , so Pückler,
hatte er zehn bis zwölf verschiedene Pirschwege anlegen
lassen, die zugleich auch heute noch nach den schönsten
Partien des Waldes führen.
"Ungestörtes
Vergnügen"
Jeder der Jagdgäste bekam einen Weg angewiesen und konnte
daher sicher sein, jegliche Konfrontation mit dem Nachbarn
zu vermeiden, denn die Wege führten fast strahlenförmig
vom Jagdschloss weg. "Stets ist der Jagdgast gewiss,
hier ungestört seinem Vergnügen nachgehen zu können.
. ." , fügte der Fürst hinzu. Auch schwärmte
er von einer Menge ausgezeichneter Bäume, wovon er zwei
sogar porträtieren ließ, denn im Park von Muskau
gab es solche alten Exemplare noch nicht. Im Waldschloss weilten
nacheinander mehrere Kurfürsten und Könige Sachsens
zur Jagd. Hier wurden religiöse Andachten abgehalten,
und nach weidmännischen Erfolgen feierten die herrschaftlichen
Gesellschaften zünftige Feste. Fürst Pücklers
Auserwählte lebte hier mehrere Wochen, ehe sie als seine
Ehefrau Luci nach Schloss Muskau kommen konnte.
Der folgende Herr von Muskau, Prinz Friedrich der Niederlande,
ließ das Jagdhaus im Jahr 1850 umbauen, um hier seine
kaiserlichen Verwandten aus Berlin zur Jagd empfangen zu können.
So weilten zwei der letzten deutschen Kaiser zum weidmännischen
Aufenthalt im Schloss bei Weißwasser.
Leider findet man dieses Gebäude heute nicht mehr vor,
denn es verfiel nach dem letzten Krieg und wurde 1975 abgerissen.
Durch die Jahrhunderte lange Erhaltung des natürlichen
Charakters dieses Gebietes spricht man heute von einem Urwald,
der darüber hinaus einiges Interessante verbirgt.
Die Protestantin, eine umgebrochene mächtige Kiefer mit
Gedenkstein, wurde anlässlich des Übertrittes der
Standesherrschaft Muskau zum protestantischen Glauben im Jahr
1620 hier gepflanzt.
Der Wolfsstein, ein Steinhaufen, der die Stelle des Abschusses
des letzten heimischen Wolfes am 14. Dezember 1845 markiert,
und vieles andere mehr.
Zeittafel Lebensstationen
1821. Die Auswirkungen der preußischen Agrarreform machten
Pückler arg zu schaffen. Seine Bestrebungen, aus der
Reform Geld zu gewinnen, scheitern schließlich an der
Armut der Mehrheit der Bauern seiner Herrschaft. Allein die
Bauern aus Weißwasser richten sich in mehreren Gesuchen
an den Fürsten, um ihn zu überzeugen, Land anstelle
der finanziellen Mittel entgegenzunehmen, ". . . weil
wir alljährlich diese aufzubringen nicht im Stande sind
. . ." , berichten sie ihm. Pückler, bitter enttäuscht,
schreibt dazu: "Wo der Grundherr bei weitläufigen
Besitzungen Land als Entschädigung nimmt, verliert er
meistenteils so gut wie alles, denn entweder muss er für
einige hundert Morgen Sandfelder, die vielleicht zwei bis
drei Meilen von seinem Wohnort entfernt im Walde liegen, ein
kostspieliges neues Vorwerk erbauen, dass ihm nicht einmal
die Interessen der Baukosten trägt, oder er muss das
Land als zu entlegene und deshalb fast nutzlose Schafweide
verbrauchen oder endlich bei den weiten öden Flächen,
die er ohnedem schon besitzt, es gleich diesen mit Kiefern
besäen, wo er vor 80 Jahren keinen Ertrag gewärtigen
kann."
1840. Als die Verhandlungen auf dem Lande anlaufen, zeigt
sich jedoch, dass die dafür zuständigen Sonderbehörden
wegen der schwierigen Rechtslagen und ungenügender fachlicher
Qualifikation überfordert sind. Problematisch sind die
hohen Handlungskosten und zusätzlichen Prozessgebühren,
die anfallen und von beiden Parteien aufgebracht werden müssen.
Vielmals wird die Reform bar jeder ökonomischer Vernunft
betrieben, die zu endlosen unnützen Verhandlungen führt,
wobei eigenmächtige Kommissare häufig darauf bedacht
sind, zahllose Termine abzuhalten, um möglichst viele
Gebühren zu kassieren.
1842. Pückler ist nicht bestrebt, die Reformbewegung
zu unterstützen. Schließlich wird er von höherer
Stelle zur Erfüllung des Gesetzes angehalten und drängt
die Bauern erneut auf eine Geldentschädigung. Diese sind
aber auch jetzt nicht zur Geldzahlung fähig und wenden
sich erneut mit einem Gesuch an ihn: ". . . wir Bauern
aus Weißwasser sind gesonnen, uns lieber auf dem Wege
der Güte zu einigen und bitten Eure Hochfürstliche
Durchlaucht hierdurch untertänigst von uns, statt der
Rente Land als Entschädigung gnädigst annehmen zu
wollen. . ." Pückler entspricht schließlich
notgedrungen der Bitte, verlangt aber, dass die Bauern bei
den bevorstehenden Verhandlungen keinen Widerstand leisten
sollen.