Am Nil wurde sie geboren, an der Neiße starb sie - Machbuba,
"die Goldene". Sie war Sklavin und Geliebte des
Fürsten Hermann Pückler-Muskau, begnadeter Parkgestalter
und Reiseschriftsteller.
Von CLAUDIA BECKER
Kerzenlicht flackerte über die wehmütigen Gesichter.
Hunderte von Menschen waren gekommen, um die abessinische
Prinzessin durch die Dunkelheit des Herbstabends zum Friedhof
zu geleiten. Ob 14, 15 oder 16 Jahre - wie alt Machbuba, "die
Goldene", geworden war, als sie der Tuberkulose erlag,
wußte niemand genau. Nun wurde sie zu Grabe getragen.
Nicht am Nil, wo sie als Tochter eines königlichen Beamten
geboren sein soll, sondern an der Neiße, 150 Kilometer
südöstlich von Berlin.
Noch heute erinnert eine Tafel neben dem Grabhügel auf
dem Friedhof von Bad Muskau an das kurze Leben der vermeintlichen
Prinzessin, die hier am 30. Oktober 1840 unter großer
Anteilnahme der Bevölkerung beerdigt wurde. Doch die
Inschrift verheimlicht Wesentliches: Machbuba hatte einem
Lebemann, dessen Liste von Liebschaften die Casanovas weit
übertraf, das Herz gebrochen. Gemeint ist der ehemalige
Standesherr von Bad Muskau: Hermann Pückler-Muskau, der
exzentrische Fürst aus der Lausitz, der nicht nur der
Namensgeber der berühmten Eiscreme war, sondern auch
ein begnadeter Parkgestalter und ein vielgelesener Reiseschriftsteller.
Es war auf einer seiner Reisen, als der Fürst im Frühjahr
1837 Machbuba das erste Mal sah. Damals trug sie nichts als
einen mit Muscheln verzierten Gürtel aus winzigen Lederriemen
um ihre schmalen Hüften. Der weiße Mousselineschleier,
in welchem das Mädchen zum Sklavenmarkt von Karthum im
damals ägyptischen Sudan geführt worden war, gab
sie jetzt den Blicken der Käufer frei. Pückler war
entzückt. Ohne zu feilschen, zahlte er dem Händler
umgerechnet 100 Taler - und Machbuba gehörte ihm. Ihre
angebliche Herkunft aus einer Fürstenfamilie, die bei
einem kriegerischen Überfall auseinandergerissen worden
war, verlieh ihr einen besonderen Hauch von Exotik.
Pückler betrachtete Machbuba zunächst mit dem Blick
des Naturforschers, der an der "Wilden" einen Charakter
studierte, auf den die "Zivilisation" noch keinen
Einfluß genommen hat. Aus dem wissenschaftlichen Interesse
entwickelte sich aber bald eine tiefe Zuneigung, die wohl
sämtliche Gefühle übertraf, die er jemals für
eine Frau aufgebracht hat. Doch das lag nicht nur an ihrer
Anmut. Auch von der Auffassungsgabe, mit welcher das Mädchen
mit dem "denkenden Gesicht" sich in kurzer Zeit
die italienische Sprache und europäische Sitten aneignete,
war der Fürst hingerissen. Außerdem genoß
er die tiefsinnigen Gespräche, in denen sie ihn mit den
Weltanschauungen ihres Kulturkreises vertraut machte.
So reisten sie zusammen, der Fürst wie die Sklavin in
orientalische Männerkostüme gekleidet, knapp drei
Jahre lang von Ägypten über den Libanon in die Türkei.
Machbuba erwies sich in dieser Zeit nicht nur als eine hervorragende
Reiterin, sondern auch als äußerst geschickt in
der Verwaltung der Reisekasse. Erkrankte der Fürst, dann
pflegte sie ihn gesund. Dabei war sie gerade mal zwischen
elf und dreizehn Jahren alt. Machbuba wurde "alles für
mich...", schrieb er - auch seine "braune Maitresse",
seine "akkomodante" - anpassungsfähige - "Geliebte".
Welcher Art Machbubas Gefühle für Pückler waren,
entzieht sich der genauen Kenntnis der Nachwelt. In ihren
letzten Briefen nennt sie ihn ihren "geliebten Vater".
Verliebt war sie in den Fürsten allerdings vermutlich
nicht. Zumindest stellte Pückler in seinen Aufzeichnungen
fest, daß sie ihm nicht "par amour" zugetan
sei. War das ein Grund für die heftige Auseinandersetzung
zwischen den beiden? Die Sklavin hatte mehr als einmal gegen
Pückler aufbegehrt - und der Fürst ihren Willen
gebrochen. Als Machbuba während einer Schiffahrt ein
Geschenk des Fürsten über Bord warf, sperrte er
sie zur Strafe 24 Stunden lang in die Badestube ein. Erst
als sie nach der Befreiung ihr tränenüberströmtes
Gesicht auf seine Füße drückte, verzieh er
ihr.
Auch wenn Pückler schrieb, er sei zu sehr freier Preuße,
um Machbuba als Sklavin zu behandeln, so nutzte er doch offenbar
seine Machtstellung gegenüber dem völlig abhängigen
Mädchen aus. Welch ein Widerspruch zu seinen liberalen
Ideen, die auch in seinen Gärten ihren Ausdruck fanden.
Der 240 Hektar große Park von Bad Muskau ist noch immer
ein zauberhaftes Beispiel dafür.
Um den Park finanzieren zu können, hatte Pückler
1826 sogar die Ehe mit seiner Frau Lucie Reichsgräfin
von Pappenheim, geborene Hardenberg, gelöst. Die Scheidung
geschah im gegenseitigen Einverständnis zwischen Fürst
und Fürstin. Pückler sollte sich nach einer guten
Partie umsehen, die genügend Geld für den Landschaftspark
in die Ehe brächte. Doch die Brautschau blieb erfolglos.
Und Lucie, von Pückler liebevoll "Herzensschnucke"
genannt, blieb auch als Geschiedene die Standesherrin in Muskau.
Als sie dort 1840 erfuhr, daß Pückler beabsichtigte,
von seiner sechsjährigen Reise in Begleitung einer afrikanischen
Geliebten zurückzukehren, stellte sie sich quer.
Pückler blieb mit Machbuba deshalb zunächst in Wien.
Ihre fremdländische Schönheit, ergänzt von
Herzenswärme, Klugheit und Witz, verzauberte die feinen
Kreise. Selbst der kaiserliche Hof nahm sie freundlich auf.
Doch Machbuba ließ sich mit der Zeit immer seltener
und bald gar nicht mehr auf Bällen blicken: Das Mädchen,
an wärmere Breitengrade gewöhnt, hatte sich im verschneiten
Gebirge des Libanon verkühlt. Jetzt war sie schwer erkrankt.
Ihr Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. Pückler
war in großer Sorge. Nachdem die Ärzte ihm die
heilenden Quellen von Muskau empfohlen hatten, machte er sich
gegen den Willen der Fürstin mit Machbuba auf in seine
Lausitzer Heimat. Im September 1840 traf er mit dem leidenden
Mädchen in Muskau ein. Lucie sorgte dafür, daß
die Rivalin nicht im Schloß, sondern in der "Rosenvilla"
einquartiert wurde, und reiste ab nach Berlin. Nach wenigen
Tagen rief sie Pückler zu einer Aussprache an die Spree.
Der Fürst gehorchte. Regelmäßig ließ
er sich von dem Arzt, der Machbuba betreute, über ihren
Zustand informieren. Ab Mitte Oktober klangen die Berichte
immer bedenklicher. Doch Pückler kehrte nicht nach Muskau
zurück. Lucie war erkrankt und hatte ihn eindringlich
gebeten, bei ihr zu bleiben.
Als Machbuba am 27. Oktober 1840 starb, war Pückler in
Berlin. Die Nachricht erreichte ihn zu spät, um an der
Beerdigung teilnehmen zu können. Erst zwei Tage danach
besuchte er ihr Grab. In den kommenden Nächten ging er
immer wieder auf den Friedhof, um seiner Trauer freien Lauf
zu lassen. "Meine Tränen fließen unaufhaltsam",
schrieb Pückler an einen Freund. "Ich habe mehr
Liebe für sie gefühlt, als ich mich für fähig
hielt und das war vielleicht mein höchster Schmerz...
und mein größter Trost..." Machbuba hatte
dem flatterhaften Lebemann gezeigt, welch tiefe Gefühle
er entwickeln konnte.