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Karen Duve
Die Entführte Prinzessin

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Karen Duve
Eskapismus mit Herz [11.02.05]

Was für eine Überraschung: Nachdem Karen Duve in ihrem letzten Roman ›Dies Ist Kein Liebeslied‹ die Malaisen der vom Selbstverbesserungswahn der Unterhaltungsmedien terrorisierten 20- bis 40-Jährigen seziert hatte, hat sie mit ›Die Entführte Prinzessin‹ jetzt ein Märchen geschrieben. Und zwar keine moderne Tongue-in-cheek-Version mit SMS-Romanzen und Laptop-Ritterinnen, sondern eine ganz klassische Geschichte voller Königsfamilien, Schlösser, Drachen und herzzerreißender Liebe.

Was auf den ersten Blick vor allem für popverliebte Fantasy-HasserInnen, die den schonungslosen Nihilismus ihres letzten Romans so verehrten, schwer verdaulich wirkt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als fesselnder Eskapismus mit goldenem Herz und tonnenweise Witz. Während die Autorin ganz bewusst der Versuchung widerstanden hat, alles mit postmoderner Ironie zuzukleistern und sich damit aus der Verantwortung des Genres zu stehlen, handeln und sprechen die Figuren in ihrem historischen Cross-over aus verschiedensten Jahrhunderten vor unserer Zeit so, dass wir das heute auch noch mühelos nachvollziehen können. Der elaborierte, spannende Plot um die schöne, arme, stolze Prinzessin aus dem kargen, ungehobelten Nordland und den verwöhnten, reichen, nihilistischen Prinzen aus dem paradiesischen Südland verhandelt allgemein Menschliches wie Machtdynamiken in Liebesbeziehungen, das Nichtgenügen gegenüber elterlichen Ansprüchen und den sprichwörtlichen »Rite of Passage«.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, nach ›Dies Ist Kein Liebeslied‹, das ja eine Art düsterer Poproman über Selbsthass, unerfüllte Liebe und Bulimie war, so ein luftiges Märchen zu erzählen?
Die beiden Bücher hängen ursächlich miteinander zusammen. Während ich ›Dies Ist Kein Liebeslied‹ schrieb, bekam ich irgendwann eine schwer depressive Phase. Es ging mir richtig schlecht, da die Geschichte einen durchgehend finsteren Ton hat und so angelegt war, dass sich die Hauptperson nicht entwickeln wird. Ich habe das dann unterbrochen und angefangen, etwas zu schreiben, das mir Spaß bringt. Das war der Anfang von ›Die Entführte Prinzessin‹ – das war so ein befreiendes, lustiges Schreiben, das mir besser gefiel, als ich gedacht hatte.

Haben Sie befürchtet, dass man Ihnen dieses höchst opulent ausgeschmückte Märchen in Zeiten von Sozialabbau und Rezession auch als Eskapismus auslegen könnte?
Mir war ziemlich schnell klar, dass das Buch etwas mit Eskapismus zu tun hat. Wobei das nicht heißen muss, dass man davon nur betäubt wird und dabei eindämmert. Eskapismus kann trotzdem geistig erfrischend sein. Meine ersten eigenen Leseerfahrungen hatten auch immer etwas mit Eskapismus zu tun, denn das bedeutet auch, einen Ausweg zu finden aus der Welt, in der man sich gerade befindet. Ich denke nicht, dass das Buch einen so völlig in einem Fantasie-Universum versinken lässt, denn ich habe – wenn auch unabsichtlich – einen kleinen Fehler eingebaut: An vielen Stellen finden sich ironische Einsprengsel, die ja eigentlich den Tod von Eskapismus bedeuten.

Würden Sie sagen, dass Sie trotz des prächtigen Dekors und der fantastischen Handlung universelle Erfahrungen thematisieren?
Die drei Hauptfiguren könnten auch in einer Berliner WG leben, nur die Deko ist ein bisschen anders! Ich wollte ein Märchen schreiben, weil das eine Form ist, in der ganz existenzielle Probleme auf eine sehr schlichte und auch naive Art erzählt werden können. Man hat die Möglichkeit, wichtige Sachen scheinbar oberflächlich zu thematisieren, indem man die Figuren alles ausagieren lässt, ohne viel zu psychologisieren. Man trägt dann halt ein bisschen dicker auf – der notorisch mit seinem Sohn unzufriedene Vater des Ritters Bredur will ihn beispielsweise immer gleich ganz umbringen! So was hört man ja selten von seinen Eltern – jedenfalls nicht so offen.

Das Buch sprudelt über vor pittoresken Ideen. Eine besonders wichtige Rolle neben all den Ungeheuern und merkwürdigen Pflanze/Tier-Hybriden spielen ja die Hofzwerge. Wie kamen Sie darauf?
Wenn die Sachen ganz seltsam sind und man denkt, das ist jetzt aber ein bisschen weit hergeholt, dann sind sie meistens echt. Dass die Hofzwerge, zu denen ich viel recherchiert habe, in Papageienkäfigen herumgeschleppt wurden oder bei Tisch aus Pasteten springen mussten, das gab es tatsächlich. Am russischen Zarenhof wurden parallel zu regulären Hochzeiten Zwergenhochzeiten inszeniert. Es wurden auch Zwerge gezüchtet – auf diese ganz unangenehmen Seitenaspekte habe ich dann aber verzichtet. Fürst Pückler hatte tatsächlich einen Zwerg, der für das Panaroma immer auf einer Bank gegenüber von einer Pyramide sitzen musste. Er hatte auch einen arbeitslosen Soldaten angestellt, der als Eremit in einer Höhle leben und zweimal am Tag rauskommen und ein Buch lesen musste. Ich fand das interessant, weil es die Tendenz heute auch gibt. Die Zeitschriftenläden sind voll von Dekorationsheften für Leute, die aus dem Alter draußen sind, wo sie sich gerne schöne Klamotten kaufen, und stattdessen die Serviettenringe auf die Regale abstimmen. Das gab es damals schon, bloß in einem größeren Stil.

Fürst Pückler
Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785-1871), Landschaftsplaner, Schriftsteller und Dandy, schuf mit dem Branitzer Park bei Cottbus mit seinen thematisch differenzierten Zonen den bedeutendsten deutschen Landschaftsgarten des 19. Jahrhunderts. Billy Masser (1824-1907), »der Hofzwerg der Pücklers«, wurde 1841 von Gattin Lucie begeistert in die Familie aufgenommen und war nach ihrem Tode ein enger Vertrauter des Fürsten.

Karen Duve
Die Entführte Prinzessin
Eichborn Berlin, 398 S., EUR 24,90


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Autor: Sonja Eismann

Quelle: http://www.intro.de/musik/magazin/1108142154

http://www.fuerstpueckler.de
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