Die feine englische Art in Branitz
Auf Pücklers Pfaden zu den Quellen des fürstlichen
Lebenswerks
Das wirklich Beständige dieses Lebens ist vergänglich:
das Parkland, die Bäume, Atem der Natur. Und gerade jenes
Vergängliche, Flüchtige macht die Faszination eines
jeglichen. Der grüne Fürst wusste davon. Hermann
Fürst von Pückler Muskau griff nach den Sternen
und wurde selbst ein Star. Ein für seine Biographie,
sein literarisches Werk und die Inszenierungen der Landschaft
prägendes Erlebnis wird jetzt in einer neuen Ausstellung
gezeigt. Unter dem Titel Englandsouvenirs Triumph
und Fiasko präsentiert das Branitzer Fürst-Pückler-Museum
in Bildern, Dokumenten und Objekten Pücklers Reise 1826-1829
(sie führte eigentlich nach England, Wales, Irland, Frankreich).
Foto: Foto: Helbig
England-Souvenirs des Fürsten Pückler.
Die Schau ist Teil eines gemeinsamen Projektes der beiden
Pückler-Stiftungen von Bad Muskau und Branitz. Während
in Muskau (ab 30. April) vorwiegend die Reisebilanz unter
dem Aspekt der Landschaftskunst zu sehen ist, konzentriert
sich die Branitzer Ausstellung auf kulturgeschichtliche Fakten
und Artefakte sowie persönliche Dinge des Dandys rund
um die Englandvisite. Im Brennpunkt steht das literarische
Bonbon, die Briefe eines Verstorbenen.
Die Ausstellung von der Kuratorin Beate Schneider kompetent
und ideenreich betreut ist ein gelungener Versuch,
Pückler facettenreich aus dem 19. Jahrhundert in die
Gegenwart zu holen. Sowohl bei der Inszenierung als auch im
historischen Kontext wurden überraschende und medial
wirksame Register gezogen. Mit dem Vorhaben, sich dieser Reise
zu widmen, gelangt man an den philosophischen Kern für
das Werkverständnis fast aller Pücklerschen Hinterlassenschaften:
Literatur und Kunst, Landschaftspark, Architektur, die politischen
Anschauungen, das gesellschaftliche Selbstbild und die sozialen
Standards. Die Reise hatte zunächst wirtschaftlichen
Ursprung. Hermann und Lucie von Pückler wollten das Anwesen
in Muskau weiter nach ihrem Gusto entwickeln. Bekanntlich
reichte das Geld nicht.
Da beginnt die Ausstellung. Im Entree der originale Schreibtisch
von Lucie. Hier schrieb sie am 31. März 1823 das Todesurteil
der Ärmsten auf Erden, das Angebot an ihren Geliebten
zur formellen Scheidung. Hermanns Ziel: in England erneut
auf Brautschau zu gehen und mit der Aussteuer
einer reichen Lady die anspruchsvolle Existenz weiterzuführen.
Aus der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau wurde der originale
Brief kopiert und ist erstmals zu sehen. Nebenbei sei vermerkt:
Es ist am Beginn des 21. Jahrhunderts an der Zeit, dass die
polnische Seite, jetzt im vereinten Europa, über die
einstige Kriegsbeute taktvoll nachdenkt. Tausende von wertvollen
Autographen u.a. aus Pücklerschem Besitz, sollten in
einer Geste der Versöhnung an ihren angestammten Ort
zurückkehren. Denn Kultur ist nationale Identität
und damit als Handelsgut ungeeignet.
Premiere fürs Auge haben überdies Zeichnungen, zeitgenössische
Graphik, die vier Alben der Erinnerungsbilder
jener Reise als Kollektion und die kürzlich erworbene
USA-Erstausgabe von Pücklers Briefe eines Verstorbenen
(Philadelphia, 1833). Die deutsche Erstausgabe, in vier Teilen
von 1830 bis 1831 ediert, ist selbstverständlich präsent.
Wohltuend ist auch, dass Pückler nicht bloß als
der spektakuläre Lebemann, sondern auch verantwortungsvoller
Zeitgenosse und Standesherr von Muskau präsentiert wird.
Amor et Virtus, Liebe und Tugend, sind die Botschaften
seines Wappens.
In einer gescheit erarbeiteten Ausstellungsroute wechseln
die Perspektiven, bleiben unterhaltsam und lebensprall: Von
der Abreise aus Muskau über die Ankunft in London
die Kulisse im Hof des Marstalls illustriert dies bis
zu den Empfängen und Lustbarkeiten auf der Insel. Und
schließlich die Briefe, die Pückler an Lucie schrieb.
Seine Schnucke wusste über Varnhagen van Ense den Weg
zum Verleger zu ebnen und sogar Goethe in seinen letzten Lebensmonaten
für eine segensreiche Rezension zu gewinnen.
Zwischendurch die originale Schreibschatulle aus England,
das Copying-Book, jenes schöne Journal in schwarzem Leder,
mit Stiften und Blaupapier ausgestattet, so dass der Fürst
seine Korrespondenz selbst kopieren konnte. Fraglos, dies
war die wichtigste Reise in Pücklers Leben. Andere Orte
dieser Welt genoss er als Abenteurer und wissbegieriger Kosmopolit.
Aber England war ihm Offenbarung. Hier fand er den Stil bestätigt,
nach dem ihm lebenslang dürstete: Freiheit, Unabhängigkeit,
Modernität im konservativen Kostüm, Wertbewusstsein,
das Bündnis von starker Idee und beherrschter Emotion.
Die Geschichten werden anhand von Dingen erzählt und
frisch gehalten. Es klappte bekanntlich nicht mit der reichen
Heirat. Das Fiasko Muskau musste verkauft
werden und der Triumph (mit dem literarischen
und finanziellen Bestseller) waren in der Balance. So ist
Leben stets. Pückler gaben die Götter alles ganz,
die Leiden ebenso wie den Erfolg.
Der Mann hatte alles auf eine Karte gesetzt. Was er gewann,
ist materiell nicht zu beziffern. Denn dauerhaft sind nicht
die Dinge. Er traf kultivierte Menschen. Das wars Und das
ist es auch heute noch, was zählt. Henriette Sontag war
seine schärfste Affäre. Die Sängerin,
schon einem andern versprochen, blieb angebetete Ikone. In
der Ausstellung sind die originale Eisengussbüste der
Schönen zu sehen, ferner die fürstliche Widmung
für Lucie in den Briefen eines Verstorbenen.
Leidenschaft und Feuer allüberall. Auch in den Wortmeldungen
der Zeitgenossen zu Pücklers Bucherfolg. Freund Heine,
Goethe sowieso, Börne, Varnhagen sind dabei.
Was bleibt? Hermann von Pückler-Muskau war gespalten.
Wesen und Erscheinung sind auch bei ihm zwei verschiedene
Farben der Persönlichkeit. Was immer diese schöne
Ausstellung zeigt, am Ende wird der Lebemann, Galan und furiose
Landschaftsgestalter ein nachdenklicher und weiser Mann. Dies
sagen die offerierten Dokumente allerdings nicht mehr. Denn
das weiß der Fürst erst in seinen letzten Jahren:
. . . solche Einsamkeit ist mir zuweilen ganz nöthig
und angenehmer als das insipide Leben in der großen
Welt.
(Ausstellung bis 30. Oktober, täglich 10-18
Uhr, Schloss dito.)