Es
war im Herbst des Jahres 1835, Fürst Pückler schaute
auf ein bewegtes Jahr in Afrika zurück: Es begann zunächst
im Januar in Algerien - welche Abenteuer waren da bei den
Streifzügen ins Landesinnere zu bestehen! Dann im April
die Weiterreise nach Tunesien - vom Bey aufgenommen wie ein
Staatsgast, dem Prunk des Bardo's mit seinem Auftritt in preußischer
Generalsuniform erwidernd, die Erkundungsfahrten durchs Land,
welche Zauberorte hatte er gesehen, El Dschem, Kairouan, Dougga,
Karthago ...Aber war das Leben unter den europäischen
Konsuln noch so angenehm, er mußte endlich weiter.
Eigentlich sollte es nach Ägypten gehen, doch die Strapazen
des Jahres verlangten dringend eine Pause. Wo war der nächste
Ort mit europäischem Komfort - auf Malta natürlich,
der Insel, die 200 Jahre den "Ritterorden vom Hospital
des Heiligen Johannes" beherbergte, nach der sich die
Johanniter- nun Malteser-Ritter nannten. Er war doch selbst
Rechtsritter dieses exklusiven Ordens, da lag es nahe, das
Ordensland mit seinem Besuch zu beehren.
Nun
ja, die Ordensritter waren schon 1798 von Napoleon vertrieben
worden, aber seit 1814 war die Insel englische Kolonie, und
das versprach wenigstens gutes Quartier und gutes Essen, dazu
das ausgesprochen milde Klima - alles beste Voraussetzungen,
um sich auf den nächsten Afrika - Trip vorzubereiten.
Abschied
aus Tunis
Der
Tag läßt sich nicht mehr genau feststellen, es
muß so um den 20. Oktober 1835 gewesen sein, als Fürst
Pückler mit Sack und Pack in die Goletta zog (heute:
La Goulette, Hafen-Vorstadt von Tunis). Mehrere Konsuln gaben
ihm zum Abschied das Geleit. Doch welche Überraschung
- der Bey von Tunis hatte eine "kleine Erfrischung"
geschickt: "Diese orientalische Galanterie nahm ein ganzes
Transportboot ein, und bestand aus folgenden Gegenständen:
4 Ochsen, 20 Schafe, 100 Hühner, 6 Bockshäute voll
feinen Öls, 4 Fässer Butter, 500 Eier, 300 weiße
Brote, 2 Zentner Zucker, 1 Zentner Mokkakaffee, 2 Zentner
Reis, mehrere Wagenlasten Gemüse aller Art, 2 große
Körbe voll Weintrauben, 100 Melonen, 100 große
Wassermelonen, sechs Kisten aller Arten Konfitüren des
Harems." Was sollte nur damit werden? Auf gar keinem
Fall durfte irgend etwas zurückgelassen werden, das hätte
gegen alle Etikette und Höflichkeit verstoßen.
Doch Pückler wäre nicht der weltgewandte Fürst,
natürlich wußte er sofort eine Lösung. Er
gab als wahrhafter Grandseigneur das großzügige
Geschenk einfach weiter an die Mannschaft des belgischen Schiffes,
damit war bestens die Überfahrt abgegolten.
Quarantäne
in Valetta
Malta
und Tunesien trennen an der engsten Stelle nur 290 Kilometer,
der Seeweg zwischen den beiden Hauptstädten beträgt
rund 400 Kilometer. Nach anfänglicher Flaute ging die
Überfahrt flott voran, nur die Landung wurde kompliziert.
"Lange schon sahen wir das reich bebaute Gozo und später
Malta vor uns, ohne es erreichen zu können, da uns der
Wind noch immer heftig entgegenblies, und als wir zuletzt
im kleinen Quarantänehafen einliefen, waren wir noch
nahe dran, an den Uferfelsen zu scheitern. Obgleich wir nur
einen kleinen Teil der Stadt sahen, frappierte uns doch der
Anblick europäischer Ordnung, glänzender Paläste
in unserem Stil und der kühnen Festungswerke der Johanniter
- Ritter, welche die Engländer in vortrefflichem Stand
erhalten." Wie sehr er in Europa angekommen war, erfuhr
der Fürst sogleich, er mußte trotz mehrerer Empfehlungsbriefe
in Quarantäne, denn in Europa wütete eine Cholera-Epidemie.
Südöstlicher
Bildersaal
Der
Quarantäne-Inspektor hatte die "Artigkeit",
sein eigenes Quartier dem Fürst zu überlassen, "wo
es mir weder an einem guten Bett und Feuer, noch an hinlänglichen
Tischen fehlte, meine Siebensachen darauf behaglich auszubreiten.
Von keinem gesellschaftlichen Zwange gehindert, konnte ich
ganz nach meinem Geschmack leben, d.h. Tag in Nacht und Nacht
in Tag verwandeln." Die etwa vierwöchige Quarantäne
nutzte Fürst Pückler, um "beim hellelodernden
Kaminfeuer, mit vier dicken Wachskerzen und eine Bowle Negus
vor mir auf dem Tisch, den ersten Teil" des Buches "Südöstlicher
Bildersaal" zu verfassen. Das Buch, dem auch unsere Zitate
leicht gekürzt entnommen sind, umfaßt drei Bände
und erschien 1840/41. Hier in der Quarantäne feierte der Fürst ohne
großen Aufhebens am 30. Oktober auch seinen 50. Geburtstag.
Im
hôtel Clarence
"Zur
ersten Benutzung meiner Freiheit machte ich eine Promenade
auf dem Meer. Ich befuhr den ganzen Quarantänehafen,
betrachtete die zahlreichen Schiffe, erfreute mich der Nettigkeit
der Kai's, der schönen mit Calessinen und Reitern belebten
Straße. Dann ließ ich in den großen Hafen
zurudern, dessen erster Anblick ohne Zweifel einer der grandiosesten
im Mittelmeer ist. Das tiefe und breite Bett wird rings von
imposanten Forts und einzelnen prachtvollen Palästen
eingefaßt. Am Zollhaus landete ich, stieg die mehreren
hundert Stufen breiter Treppen hinauf, überrascht von
dem stattlichen Anblick palaisartiger Häuser. Besonders
zeichnen sich die sogenannten Alberghi der ehemaligen Ritter
aus, von denen viele selbst in Rom und Florenz als eine Zierde
der Stadt angesehen wurden." Fürst Pückler
zog in das Clarence - Hotel ein, wir aber müssen hier
unseren Weltenbummler verlassen. Seine Berichte über
Bauten und Gärten, üppige Dinners und schöne
Frauen, über Ausflüge in das Landesinnere und zur
Insel Gozo bleiben weiteren Folgen dieser Serie vorbehalten. Siegfried Kohlschmidt