Die
deutsche Sopranistin Henriette Sonntag (1806-1854)
Der
letzte Auftritt eines Kastraten auf einer Opernbühne
im Jahre 1829 war nur noch der Abgesang auf eine glanzvollen
Epoche. Längst war es den Tenören, vor allem aber
den Sängerinnen gelungen, die Kastraten in der Gunst
des Publikums zu überflügeln. Auf der Bühne
waren die Kastraten umjubelte Virtuosen gewesen, als Menschen
dagegen hatte man sie bis auf wenige Ausnahmen diskriminiert.
Ein ähnliches Schicksal widerfuhr nun den Primadonnen,
die sich als Diven göttinnengleich verehrt, als Frauen
aber zahllosen sozialen Vorurteilen ausgesetzt sahen. So waren
beispielsweise die Opernhäuser im Allgemeinen bemüht,
den Sängerinnen eine Eheschließung vertraglich
zu untersagen, zumindest aber zu erschweren; auch die meisten
Ehemänner wollten ihren Frauen nach der Heirat eine Fortsetzung
ihrer Karriere in der Regel nicht gestatten. Die deutsche
Sopranistin Henriette Sonntag (1806-1854)
etwa war eine der begehrtesten Sängerinnen ihrer
Zeit und feierte seit ihrem 15. Lebensjahr Triumphe an allen
bedeutenden Bühnen Europas. Allerorten brach nach ihren
Auftritten ein regelrechtes "Sonntag-Fieber"
aus. Als jedoch ihre Verbindung mit dem piemonteser Grafen
Carlo Rossi bekannt wurde, den sie 1827 heimlich geheiratet
hatte, zwang sie die Familie ihres Mannes, der Bühne
zu entsagen', wie es damals beschönigend hieß.
Da nützte es ihr auch nichts, dass der preußische
König Wilhelm III. sie 1832 zur Freifrau von Lauenstein
erhob. Die nächsten fast 20 Jahre begleitete sie ihren
Gemahl, der als Gesandter in Diensten des Königreichs
Sardinien stand, nach Den Haag, Frankfurt am Main, St. Petersburg
und Berlin. Erst als die Familie Rossi ihr Vermögen durch
die politischen Umwälzungen des Jahres 1848 weitgehend
verloren hatte, durfte Henriette Sonntag wieder auf die Bühne
zurückkehren, diesmal allerdings, um den Lebensstandard
ihrer Familie zu sichern. Von den rastlosen Gastspielreisen
der folgenden Jahre erschöpft, starb sie 1854 in Mexiko
City an der Cholera. Ihrer Beerdigung im Kloster Marienthal
in der Lausitz blieb die Familie ihres Mannes fern.