Hardenbergs Bücher entdeckt
Paderborner Professor Rainer Schöwerling
gelang weiterer bedeutender Bibliotheksfund
VON CHRISTINE LONGÈRE
Bücherschatz gehoben (FOTO:
CHRISTINE LONGÈRE)
+ Bücherschatz gehoben (FOTO: CHRISTINE LONGÈRE)
Paderborn/Berlin.
Rainer Schöwerling, 1937 in Hannover geboren, hat ein
sicheres Gespür für Bücherschätze. Hohe
Verdienste erwarb er sich bereits durch die "Entdeckung"
der Fürstlichen Bibliothek in Corvey. Zu verdanken ist
es ihm jetzt auch, dass die Bibliothek des preußischen
Staatskanzlers und Reformers Fürst von Hardenberg der
Forschung zugänglich wird.
Zu Schöwerlings Aufgabenschwerpunkten
als Professor für Englische Literaturwissenschaften an
der Universität Paderborn gehörte die bibliotheksgeschichtliche,
bibliographische und wissenschaftliche Erschließung
von Privatbibliotheken.
Karl August Fürst von Hardenberg wurde
1750 nahe Braunschweig geboren und starb 1822 in Genua. Seit
1791 preußischer Minister und später Staatskanzler,
hinterließ er bleibende Spuren durch sein Reformwerk
in Staat und öffentlicher Verwaltung. Seine 6.000 Bände
umfassende Bibliothek, die jetzt von der Zentral- und Landesbibliothek
Berlin (ZLB) erworben wurde, spiegelt seine Interessengebiete
und die Schwerpunkte seiner politischen Arbeit wie Pressefreiheit,
Judenemanzipation, Finanz- und Steuerwesen, Friedenspolitik.
In der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam
wurden zu DDR-Zeiten von der russischen "Beutegutkommission"
aussortierte Bücher aus über 30 Herkunftsbibliotheken
aufbewahrt. Bei der Erarbeitung eines Wertgutachtens für
die dort lagernde Bibliothek des Fürsten Pückler
wurde Schöwerling auf die Hardenbergsche Sammlung aufmerksam.
Er nahm Kontakt zur Familie von Hardenberg auf. Versuche,
die Bibliothek wieder nach Neu-Hardenberg zu bringen, scheiterten
aus finanziellen Gründen. Jetzt soll sie in Berlin nach
einem systematischen Katalog wieder rekonstruiert werden,
der besagt, wo die Bücher aufgestellt waren.
Schöwerling: "Wie hunderte von Hinweisen
auf Bücher und deren Autoren in seinen jüngst veröffentlichten
Tagebüchern beweisen und wie umfangreiche handschriftliche
Lektürenotizen, aber auch viele Anstreichungen und Randanmerkungen
in den Büchern seiner Sammlung zeigen, war Hardenberg
zeitlebens ein leidenschaftlicher Leser und ebenso leidenschaftlicher
Büchersammler." Die für eine Privatbibliothek
der Zeit recht umfangreichen Bestände seien wie
bei einer durch die Aufklärung geprägten Persönlichkeit
nicht anders zu erwarten Hauptquelle für Unterhaltung
und Belehrung des Sammlers gewesen.
Über die ursprüngliche Größe
der Büchersammlung gebe es, sagt Schöwerling, in
der Literatur sehr vage Hinweise. Nur eine von der Familie
veranlasste Zählung enthalte eine relativ präzise
Angabe. Danach habe die Bibliothek im Jahre 1930 aus 5.745
Werken bestanden, was in etwa 10.000 bis 15.000 Bänden
entspreche. Wie Schöwerling feststellte, sind trotz der
Wirren des Zweiten Weltkrieges, trotz Beschlagnahmung durch
die Nazis und Abtransport von 41 Bücherkisten als "Beutegut"
in die Sowjetunion von der Sammlung heute noch etwa 60 Prozent
des ursprünglichen Bestands, nämlich rund 3.500
Werke mit zirka 6.700 Bänden erhalten.
Der Kernbereich der Sammlung beinhaltet laut
ZLB historische und politisch-zeitgeschichtliche Werke. Auffällig
sei die Dichte und Vollständigkeit der Auswahl, gerade
hinsichtlich der so genannten "Kleinschriften" zu
Napoleon, preußischer und französischer Geschichte
und dem Zentralthema der Zeit, Krieg und Frieden. Der historische
Kontext mache die Sammlung "einmalig und besonders wertvoll".
Heute präsentieren Claudia Lux, Generaldirektorin
der ZLB, und ihre Mitarbeiterin Annette Gerlach in Berlin
auf einer Pressekonferenz die Neuerwerbung des Hardenbergschen
Bücherschatzes. Durch einen Abschluss des Kaufvertrags
mit der Familie Anfang 2004 sei es gelungen, die einzige in
dieser Region und Zeitspanne erhaltene Privat- und Adelsbibliothek
geschlossen zu bewahren. Nach ihrer Größe und in
ihrer wissenschaftlichen Bedeutung habe sie unvergleichbaren
Wert, sagt Claudia Lux.
Quelle: http://www.nw-news.de/nw/news/kultur
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