Hermann (Ludwig Heinrich)
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Billy Masser - der Zwerg des Fürsten Pückler

Als Lucie's Zeitvertreib

Nordöstlich von Sorau am Fluß Bober liegen sich zwei Städte gegenüber, auf Niederlausitzer Seite Christianstadt, die andere Seite gehört zu Schlesien, dort liegt Naumburg. In dieser Kleinstadt verbrachte der am 30. Juni 1824 geborene Wilhelm Heinrich Masser Kindheit und Jugend. Da er ein Kleinwüchsiger war, ein sogenannter "Zwerg", wurde die Fürstin Pückler auf ihn aufmerksam und nahm ihn 1841 in ihre Dienste. Von ihr wurde er, wie ein Zeitzeuge schrieb, "abgöttisch geliebt, verwöhnt und verhätschelt." Sie steckte ihn in diverse Phantasiekostüme und schenkte ihm spezielle Möbel, die seiner Körpergröße entsprachen. Nachdem Muskau 1845 verkauft worden war und in Branitz das Fürstenpaar zankte und stritt, zog Lucie nach Dresden, ihre drei Schoßhunde, ein zahmes Eichhörnchen und Zwerg Billy mußten mit.
1852 zogen sie wieder in Branitz ein, der Fürst aber ging auf Reisen. Er war nicht in Branitz, als Lucie 1854 starb und auch zur Beisetzung kam er nicht. Sein Vertrauter vor Ort war Billy, der manches arrangieren und über alles berichten mußte. Billy hatte von der Fürstin eine beträchtliche Summe geerbt, die er dem Fürsten lieh. "Du bist ein reicherer Mann als ich," schrieb Pückler, "denn Du hast mehr als Du brauchst, und ich leider, seit meiner Branitzer Thorheit, um die Hälfte weniger als ich brauche." Er nahm das Geld und zahlte pünktlich Zinsen.

Weltenbummler, Jäger

Wenn Billy etwas mit seinem Dienstherrn gemeinsam hatte, dann war das die Sehnsucht nach der Ferne. Wie begeistert und dankbar war er, wenn er von dem Fürsten Pückler mit in die weite, weite Welt genommen wurde, etwa im Jahre 1849 ins Salzburgische. Lucie wurde zur Kur nach Bad Gastein begleitet. Der Fürst und sein Vertrauter suchten ein Schloß, denn Branitz war noch immer eine ungeliebte Last. So sah Billy den Wolfgangsee, den Mondsee, Bad Ischl, dann auf der Rückreise Wien und Prag. 1855 unternahm Billy ein große Reise ganz allein - er war von der Gräfin Gersdorf, einer Nichte von Lucie, eingeladen, sie im Schloß Hardenberg (heute Krenkerup) auf Lolland / Dänemark zu besuchen. Jedes Jahr war Billy nun auf Reisen, seien es weiterhin Besuche bei Verwandten des Fürsten oder auch reguläre Vergnügungsreisen. So war Billy mehrfach bei Lucie's Schwiegersohn auf Schloß Carolath. In Schönfeld besuchte er den Erben des Fürsten, den Grafen Heinrich von Pückler. Mehrfach war er in Pülswerda bei dem (Halb-) Bruder des Fürsten. Reisen unternahm Billy auch nach Danzig, Königsberg, Potsdam und Berlin, Dresden, Frankfurt/Oder und -/Main, Köln und Hannover. Die Reisen zur Pücklerschen Verwandtschaft waren immer mit Einladungen zur Jagd verbunden, denn Billy war ein leidenschaftlicher Jäger, ganz im Gegensatz zum Fürsten. In Carolath erlegte er einmal einen starken Torhirsch von zehn Enden. "Das machte allgemein einen großen Effekt", schrieb er stolz an den Fürsten. Jener verpaßte ihm Scherznamen: "Jagdvergnügling" oder "Bezwinger der Gemsen Salzburgs".

Hofmeister und Sekretär

Nach Lucie's Tod wurde Billy auch förmlich zum Bediensteten des Fürsten. "Du sollst als Geheimsekretär mir etwa alle Monate geheime Berichte machen", lautete sein Auftrag. Gelegentlich mußte Billy aber ermahnt werden "als kleiner Spion", als "Spiönchen" exaktere Nachrichten zu liefern. Bei der häufig monatelangen Abwesenheit des Fürsten wurde Billy bald unentbehrlich, denn Pückler mißtraute allen. "Über die Bauten und Gartensachen schreibe recht ausführlich", forderte Pückler. Billy wurde Sekretär, Archivar und Bibliothekar, Haushofmeister, Partner an der abendlichen Tafel, Gesellschafter, Kartenspiel- und Billardpartner, Beobachter und Vertrauter. Zu Billy's Aufgaben gehörte es auch, den Fürsten gesellschaftlich zu vertreten. Er begrüßte Gäste, machte mit ihnen Führungen durch den Park und sorgte für ihre Unterkunft. Sein Meisterstück lieferte er bei Empfang und Bewirtung des Kronprinzen, des späteren Kaiser Friedrich III.

Zum absoluten Höhepunkt sollte es 1857 kommen: Seit drei Jahren schon wurde in Branitz an allen Ecken gebaut, ganze Parkpartien entstanden neu, alle Gebäude wurden aufgemöbelt. Der Grund - die "Herrin" hatte ihren Besuch in Aussicht gestellt. Die Herrin, das war die Prinzessin Auguste, die bald Königin und Kaiserin werden sollte. Sie, die Liebliche aus Weimar, Goethe war ihr Paten-onkel, wurde von Pückler hoch verehrt, wohl auch - natürlich mit gehörigem Abstand - geliebt. Er hat jede Kleinigkeit ihres Besuches mit Billy beraten und abgestimmt, selbst den Standort des Bidet's. Auguste kam aber erst sehr viel später, 1864 war es. Dafür kam häufiger ihre nicht minder liebliche Schwester, die Prinzessin Marie, Frau des Prinzen Carl, der selbst jedes Jahr kam und Billy - Billy hatte immer alle Hände voll zu tun.



Fürst Pückler an Billy Masser: "Sollte ich Dir ein Phantasiekostüm machen lassen, so ist das natürlich meine Sache. Du mußt ein griechisches, albanisches oder türkisches, allenfalls Tiroler Kostüm tragen"

Seit etwa 1855 kamen vermehrt
Besucher nach Branitz, das neue
Gartenwerk des Fürsten Pückler hatte
sich herumgesprochen. Immer wieder
mußte Billy Masser den Cicerone
machen, den sachkundigen Führer. An
der Gestaltung einiger Parkpartien
hatte er eigenen Anteil.

Als passionierter Jäger zeigte Billy sich
gerne mit der Flinte, die fast so groß
war wie er selbst. Um zu guten Waffen
zu gelangen, scheute er keine Kosten
und machte große Reisen, etwa 1857
um eine Zündnadelflinte zu kaufen

Der Bober teilt Naumburg und
Christianstadt, aber auch Schlesien von
der Lausitz. Die Städte heißen heute
Nowogrod Bobrz und Krzystkowice und
gehören zur Wojewodschaft Lubuskie.

Branitz ade

Die Erben Pückler's hatten keine Verwendung für Billy, so mußte er 1871 Branitz verlassen. Im gleichen Jahr heiratete er Klara Schrader aus Berlin, das Ehepaar lebte zunächst in Dresden, dann in Kahla / Saale und zuletzt in Delbrück. Billy's Frau trat auch als Schriftstellerin in Erscheinung. Er selbst hatte ein gutes Auskommen, denn sowohl Fürstin Lucie als auch Fürst Pückler hatten ihn im Testament bedacht. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor, die zwei Brüder Hartmann heirateten, der eine Rechtsanwalt, der andere Ingenieur, auch wird von Enkelkindern berichtet.
Wilhelm Heinrich Masser, genannt Billy, verstarb am 19. Januar 1907 in Delbrück, heute ein Ortsteil von Köln.


Siegfried Kohlschmidt


 

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