«Ein
Kind der Phantasie»
Groteske Oper über Fürst Pückler am Görlitzer
Theater
Hermann von Pückler-Muskau (1785-1871) war ein genialer
Parkgestalter, Schriftsteller und Weltenbummler, Genussmensch,
Frauenverehrer und Lebemann. Der Fürst ließ den
2004 zum Weltkulturerbe erklärten Park in Bad Muskau
anlegen.
Der Park in Branitz, im Südosten von Cottbus, ist sein
Spätwerk. Auch das Pückler-Eis steht mit dem Mann
in Verbindung, der als eine der schillerndsten Figuren des
19. Jahrhunderts gilt. Das Theater Görlitz hat dem Grünen
Fürsten eine Oper gewidmet. Mit dem Titel Fürst
Pückler Ich bin ein Kind der Phantasie wird das
Werk des Münchner Komponisten Enjott Schneider am Samstag
uraufgeführt.
Alle zwei Jahre setzt das Theater in der deutsch-polnischen
Grenzstadt Akzente, indem es eine neue zeitgenössische
Oper herausbringt grundsätzlich hat das Werk eine
Verbindung zur ostsächsischen Region. Nathans Tod
2002 hatte einen bekannten Stoff des in Kamenz geborenen Dichters
Gotthold Ephraim Lessing zum Inhalt.
2004 kam Bahnwärter Thiel nach Gerhart Hauptmanns
gleichnamiger Novelle heraus, eine Geschichte, die an der
Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahnlinie spielt. Für
diese Oper komponierte Enjott Schneider ebenfalls die Musik.
Pückler ist nun bereits sein drittes Werk
für das Görlitzer Theater. 2002 war dort das Musical
Diana mit Schneiders Musik uraufgeführt worden.
Für die Pückler-Oper hat der Komponist mit Bernd
Matzkowski und Michael Walter auch das Libretto verfasst.
Originale Texte Pücklers, Zitate aus seinen Briefen und
Büchern ließen die Autoren einfließen. Aufregend
wie ein Krimi sei die Handlung, urteilt Schneider selbst.
Und die Musik beschreibt er als wild-absurde Mischung von
Operettenhaft-Banalem und Schrill-Avangardistischem. Walzer,
Schnellpolka, Karussellmusik und sorbischer Tanz für
das Lausitzer Kolorit gehören zum Spektrum. Regisseur
Aron Stiehl nennt das Werk eine groteske Oper in schrillen
Farben.
Der 37-Jährige aus Berlin inszenierte vor zwei Jahren
bereits Bahnwärter Thiel und hatte damals
mit Schneider gut in Görlitz zusammengearbeitet, wie
er selbst sagt. Um ein Gefühl für die Titelfigur
der neuen Oper zu bekommen, hat Stiehl viel über und
von Pückler gelesen. Er besuchte Ausstellungen, sah sich
in Branitz und Bad Muskau um. Von einem überdrehten
Fürsten spricht der Regisseur, von einem Don-Giovanni-Typ,
der das Leben genossen und Grenzen ausgelotet hat.
Die Titelpartie singt der in Görlitz engagierte Bariton
Shin Taniguchi. In der Inszenierung wird das Publikum in verschiedene
Phasen von Pücklers abenteuerlichem Leben eintauchen.
Mit Lucie, Hermine, Adelheid und Machbuba kommen vier seiner
Frauen in der Handlung vor. Die Zuschauer erwartet ein ungewöhnliches
Finale, so ungewöhnlich wie das Testament, das Pückler
hinterlassen hat. Er legte fest, dass sein Leichnam chemisch
aufgelöst wird und die Reste mit einem pompösen
Leichenzug in einem Grabhügel beigesetzt werden. Tatsächlich
liegt der Fürst in einer Seepyramide in Branitz begraben.
Von Anett Böttger
Quelle: LR-Online vom 30.4.2006
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Görlitzer Theater präsentiert Pückler-Oper
Im Theater von Görlitz hat eine Oper über Fürst
Pückler ihre Uraufführung erlebt. Das Premierenpublikum
feierte das Bühnenstück "Ich bin ein Kind der
Phantasie" von Enjott Schneider mit minutenlangem Beifall.
Die Inszenierung des Berliner Regisseurs Aron Stiehl gibt
Einblicke in das wechselvolle Lebens von Hermann von Pückler-Muskau.
Die Oper setzt dabei auf eine Mischung aus Operette und avantgardistischen
Elementen. Dem Libretto liegen Original-Texte Pücklers
zu Grunde. Seine berühmten Parklandschaften in Bad Muskau
und Branitz wurden als Fotos in das Bühnebild einbezogen.
Den meisten ist der Name des Landschaftsarchitekten und Weltenbummlers
heute durch das nach ihm benannte, dreifarbige Pückler-Eis
ein Begriff.
zuletzt aktualisiert: 30. April 2006 | 02:05
Quelle: MDR INFO
--------------------------------------------------------------------------------------------------- Zwischen Baum und
Borke Eine Oper über Fürst Pückler
in Görlitz
Kritik von Boris Michael Gruhl
Es sind zwei Dinge, erstens von einem Stoff oder einer Persönlichkeit
angetan zu sein, Themen, die sich aus Werk, Hinterlassenschaft
oder Wirkungen einer solchen Persönlichkeit ergeben und
erhalten haben, für so relevant zu halten, dass zweitens,
daraus ein zeitgemäßes Kunstwerk zu verfertigen
ist, und in unserem Falle eine Oper uraufgeführt werden
kann. Wie weit diese beiden Dinge auseinander liegen können
wurde deutlich bei der Uraufführung von Enjott Schneiders
Oper Fürst Pückler Ich bin ein Kind
der Fantasie am Theater Görlitz unter der musikalischen
Leitung von Milos Krejci, in der Regie von Aron Stiehl, der
Ausstattung von Karen Hilde Fries und mit den Choreographien
von Francisco Sanchez.
Alles schien richtig. Herrmann Fürst von Pückler-Muskau
( 1785 1871) hat mit den Schöpfungen seines Arkadien
im Park zu Muskau und seines Elysium im Schlosspark zu Branitz
bei Cottbus, Lausitzer Landschaften dermaßen veredelt,
dass ihnen Weltgeltung zuteil wurde.
Das Leben des sich selbst inszenierenden Abenteurers, Reisenden,
Freigeistes, Genießers und Frauenjägers, der seine
Eroberungen Schnucke nannte, sich im Duell frei
schoss, dazu beredet in Briefen und Schriften seine Be- und
Erkenntnisse in reichem Umfang der Nachwelt hinterließ,
scheint fast so gut geeignet wie das eines Faust, Don Juan
oder Casanova für den Stoff, aus dem die Opern gemacht
sind.
Zudem möchte das Theater Görlitz sich in der Region
beheimatet wissen, und da kann man von einem Glücksfall
sprechen, wenn es einen lokalen Opernhelden von universeller
Bedeutung gibt, der im Gedächtnis der Menschen lebendig
ist, als Schöpfer von Parks, Eisrezepten oder Kreationen
kräftiger Torten. Wie schön auch, dass es Frauengeschichten
gibt, zudem auch eine, die außerordentlich zu Herzen
geht und nicht nur jeder Feministin den Dolch ins Gewand treiben
sollte. In Ägypten nämlich kaufte der Fürst
eine äthiopische Sklavin als Souvenir, brachte das zarte
Kind als Prinzessin Machuba in die Lausitz, wo sie der Kälte
wegen sich in den frühen Tod hustete.
Dem Leben und Wirken Fürst Pücklers ist eine überschaubare,
äußerst anregende Ausstellung im Foyer des Theaters
gewidmet. Das Programmbuch darf man als Ausstellungskatalog
ansehen, edel gestaltet, gut gedruckt, informativ und attraktiv
zugleich. Wenn wir das Theater betreten setzt sich auf der
Bühne des Geschehen vom Foyer fort, wir sehen eine Ausstellung
und ihre Besucher. Einen Unterschied freilich sehen wir doch.
Es sind die Statisten zwischen den Ausstellungsstücken
und wiewohl es im Theater meistens um das Leben geht, ist
doch nichts schwerer, als dasselbe ungeschminkt auf die Bühne
zu holen. Im Folgenden geht es dann glücklicherweise
theatralischer zu, und so paradox es klingen mag
realistischer.
Beherzt und mutig spielen die Musikerinnen und Musiker der
Neuen Lausitzer Philharmonie. Der Kapellmeister gibt klare
Zeichen. Nicht alle kommen an. Manchmal hilft er auch dem
Chor beim Zählen. Der muss rhythmisch tratschen, zickig
spotten, emphatischen jubeln, exotisches von sich geben, traurig
grummeln und hymnisch seiner Sehnsucht nach der Freiheit der
Bäume Ausdruck geben: Wir sehen uns so sehr nach
der Freiheit der Bäume spätestens jetzt
beginnt der Baum in uns zu wachsen, das grüne Gewissen
erwacht, wir lauschen verzückt dem Gesang der Schnucken
und durchwandeln im Geiste die blühenden Landschaften
der Lausitz. Die Revolution beginnt im Theater. Es ist die
Revolution der Blumetöpfe. Du bist Baum!
Dabei geht es ganz fröhlich los. Die Musik klingt nach
Zirkus, Musical und Operette, bunt und unterhaltsam geht es
auf der Szene zu. Den Mitglieder des stattlichen des Chores
in hübschen Biermeierkostümen sieht man gerne zu
wenn sie ihre quicklebendigen, dabei mechanisierten Bewegungen,
im besten Sinne fröhlicher Spieloperntradition, ausführen.
Bewegungs- und stimmungsmäßig wird der Abend immer
wieder leicht und ansehenswert vor allem durch Sandy Erdmann,
Beata Giza, Ayako Makomoto, Krystina Polynska sowie Deniz
Cakir, Antonio di Carmine, Everet Kunitz und Bernhard Knauer
vom Görlitzballett. Die so sympathische wie muntere und
technisch bestens aufgelegte Truppe in ihrer letzten Premiere
als Clowns, Komödianten und Zirkuspersonal tanzt und
spielt bravourös, charmant und macht vor allem deutlich,
dass Heiterkeit in erster Linie mit Eleganz und Genauigkeit
zu tun hat. Im ersten Teil sorgen wesentlich die vom Ballett
und dem Chor getragenen Ensembleszenen für Unterhaltung
und Stimmung, im Sinne des Komponisten, für den vom Gegenstand
seiner Komposition feuerwerksartiger Farbenreichtum
ausgeht, der alle fasziniert. Das Theater kündigt
im Vorfeld sogar eine richtiggehend umwerfende
Oper an, doch hat man bald den Eindruck, dass davon nur partiell
die Rede sein kann.
Die Probleme der Aufführung treten rasch zutage. Es
fehlt an Spannung. Die Musik tritt auf der Stelle. Einsam
monologisiert der Held, singt uns meistens vor, was er gerade
ins Tagebuch schreibt. Seine Gartenvisionen sehen wir durch
ein großes Fenster in der Bühnerückwand. Zumeist
leider in Form unscharf projizierter Fotografien. Diaschau
mit unterlegtem Sound. Die Oper reiht Stationen aneinander.
In der Ahnengruft nimmt die Lebensreise ihren Anfang. Das
strapazierte Herz des Helden findet nach selbstverfügter
Spezialbehandlung Ruhe in der eigens erschaffenen Grabpyramide
im Park zu Branitz.
Die langen Selbstbetrachtungen erklingen vornehmlich in getragenem
Stil, die Texte stammen aus Pücklers Briefen und Schriften.
Von der Proszeniumsloge aus beobachtet, kommentiert und inszeniert
der Liebes- und Lebensgärtner die eigenen Fantasien.
Der zweite, ohnehin müdere und einfallsärmere, Teil
haucht sehr langsam sein schmales Leben aus. Ein klamottiges
Satyrspiel kauziger Ärzte, die Pücklers Leichnam
behandeln, hilft nicht mehr, die Stimmungskurve hoch zu reißen.
Das Görlitzer Ensemble setzt sich engagiert für
das Stück ein. Aber dem plakativen Ideendrama aus der
Küche grüner Apologetik fehlt es an Saft und Lebensmut.
Shin Taniguchi ist der Fürst. Er singt leicht und angenehm,
ausgestattet mit den Tugenden eines Liedinterpreten, fließt
sein melancholischer Gesang. Bei den Damen hat Yvonne Reich
als Herzensschnucke Adelheid die Chance, in Andeutungen wenigstens,
einen Charakter bis ins Alter zu entwickeln, was sie überzeugend
tut. Als Machuba darf Mi-Seon King auftreten, husten und sterben.
Sie gibt ihr Bestes und berührt. Für Anja Meyer
und Patrizia Bänsch bleiben lediglich Episodenrollen,
und auch hier, schöne Töne mit voller Präsenz.
Dem Herrenensemble geht es da nicht besser, Alexander Pindarek,
Frank Ernst, Hans-Peter Struppe und Stefan Bley singen mit
ganzer Kraft und vollem Einsatz für die Chance eines
neuen Stückes, das leider zur Uraufführung schon
ein wenig altbacken wirkte.
Quelle: http://magazin.klassik.com
--------------------------------------------------------------------------------------------------- Eine Oper über Fürst Pückler
in Görlitz
von Ute Grundmann
Goethe lobt ihn aus der Loge herab als "Himmelskind"
voller Talent in grotesk-hohen Tönen. Seine Mitbürger
dagegen lästern und zischeln über seine Eitelkeit
und seine hochfliegenden Pläne, bis sie ihm dann doch
seine "Sehnsucht nach der Freiheit der Bäume"
jubilierend nachsingen.
Fürst Pückler, den neuerdings wieder viel beachteten
Gartenbau-Regenten, hat Enjott Schneider zur Hauptfigur seiner
neuen Oper gemacht; nach einem "Diana"-Musical und
der Oper "Bahnwärter Thiel" das dritte Werk,
das nun am Theater Görlitz uraufgeführt wurde. Und
wie im "Bahnwärter Thiel" gibt es auch hier
in "Fürst Pückler - Ich bin ein Kind der Phantasie"
den kommentierenden, rhythmisch-spöttelnden Bürgerchor
von Jan Altmann wunderbar präzise einstudiert. Denn dieser
Fürst (Shin Taniguchi) ist ihnen nicht geheuer: In blauvernebelter
Grotte sinnt er an Särgen über die Nachseite des
Lebens; mit Buch und Stift sucht und notiert er alles wissens-
und erfahrenswerte; und mit seiner Idee der Landschaftsparks
bringt er ihnen ein Utopia, das sie nicht verstehen.
Das hat Enjott Schneider, der auch das Libretto mitschrieb,
zunächst zu einer prallen Lebensrevue in "Arkadien,
dem Park des Lebens" komponiert. Da geht die Grottenszene
fließend in ein rauschendes Fest über, bei dem
der Sarkophag zum Büffet wird. Da reimt der Chor rhythmisch
"Landpomeranzen" auf "Extravaganzen",
tanzen Pierrots auf einem Maskenball, sinnt Pückler wie
Hamlet mit dem Schädel in der Hand über das Leben
und den Tod. Schneiders Oper wechselt zwischen volkstümlicher
Spieloper und stillem Gelehrtenportrait, zieht musikalisch
alle Register von schrägen Revue-Tönen bis zu leise
hingetupften Akzenten. Mal ist die Musik kurzangebunden, dann
wieder malt sie breit aus. Die neue Lausitzer Philharmonie
unter Milos Krejci bringt alle Facetten dieser Klänge
zum leuchten. Und Shin Taniguchi als Pückler überzeugt
mit warmem, ausdrucksvollem Bariton als Hallodri und Heilsbringer,
als Visionär und Frauenheld.
Aber leider gibt es im Werk und der bis dahin überzeugenden
Inszenierung von Aron Stiehl nach der Pause den Bruch, fast
einen Absturz. Nun im "Garten des Todes, Elysium"
geht es fast nur noch um Pückler zwischen Ehefrau Lucie
(Yvonne Reich) und der Ex-Sklavin Machbuba (Mi-Seon Kim),
die er von seinen Reisen in die Heimat bringt. Die Geschichte
der tuberkulosekranken Machbuba wird stärker ausgebreitet
als sie es verträgt, sie wird aber trotzdem keine Kameliendame.
Wenn die drei dann das Terzett "Drei Menschen, drei Herzen"
anstimmen, schrammt Schneider knapp am Musicalkitsch vorbei.
Und eine Ärzte-Satire, in der Weißkittel mit dem
Herz des nun toten Pückler hantieren, geht grotesk daneben.
Dennoch nach fast drei Stunden Jubel im Görlitzer Theater,
das mit Solisten, Chor, Ballett und Orchester diesen Kraftakt
stemmte.