Hermann (Ludwig Heinrich)
Fürst von Pückler-Muskau

Ein naives Leben auf großem Fuße

Eckhard Kleßmann hat die Geschichte von "Fürst Pückler und Machbuba" meisterhaft beschrieben
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Ein naives Leben auf großem Fuße

Eckhard Kleßmann hat die Geschichte von "Fürst Pückler und Machbuba" meisterhaft beschrieben

Von Arnulf Baring
Wie sein Vater war Pückler ein Verschwender. Als Erdmann Graf Pückler starb, lasteten etwa eine halbe Million Taler Schulden auf dem ererbten Besitz Muskau. Um sich zu sanieren, lag daher seinem Sohn Hermann sehr an einer lukrativen Heirat. Eine reiche Erbin mußte gefunden werden, zumal Pückler obendrein einen riesigen Landschaftsgarten anlegen wollte. Die Partie fand sich in der Person von Lucie, geborene von Hardenberg, der Tochter des preußischen Staatskanzlers, was zusätzliche Vorteile versprach: eine diplomatische Karriere (die sich zerschlug) und den Fürstentitel (der freilich viertausend Taler kostete).

Lucie war neun Jahre älter als Pückler. Überhaupt konnte von Verliebtheit auf seiner Seite keine Rede sein. Allerdings nahm er extravagante Anstrengungen auf sich, um sie zu gewinnen. Pückler fuhr mit einer von gezähmten Hirschen gezogenen Kutsche durch Berlin, vorbei an Lucies Fenstern - ein erstaunlicher Dressurakt, der nie wiederholt worden ist. Da er außerdem als blendende Erscheinung galt, von den Frauen umschwärmt, ließ die Verlobung, dann die Verheiratung, nicht lange auf sich warten. Allerdings hatte sich Pückler von seiner künftigen Ehefrau absolute Unabhängigkeit ausbedungen, was in seinem Fall vor allem erotische Freiheit hieß.

Hermanns Kindheit war durch die unglückliche Ehe der Eltern verdüstert worden. Die bei seiner Geburt erst fünfzehn Jahre alte Clementine Gräfin Pückler herzte und schlug abwechselnd ihren Erstgeborenen. Schon mit sieben Jahren wurde er aus dem Haus in die Obhut der Herrnhuter Brüdergemeinde gegeben, was ihn lebenslang alles Frömmelnde hassen ließ. Lucie, die ihn liebte, sollte ihm eine mütterliche Freundin werden. In seinen Briefen kann man lesen: "Schnucke, Du bist meine Mama!"

Beide lebten naiv auf großem Fuße. Die jährlichen Ausgaben betrugen vierzig- bis fünfzigtausend Taler, die Einkünfte aber nur zwölftausend. Um den finanziellen Kalamitäten zu entfliehen, machte Lucie liebevoll ihrem Lou einen Vorschlag, den er dankbar annahm: Man sollte sich pro forma scheiden lassen, damit er durch eine neue lukrative Heirat seine Finanzen ordnen könne. Als die diskrete Suche nach reichen Erbinnen in Berlin und Hamburg erfolglos blieb, brach Pückler nach England auf, hatte doch gerade ein Bekannter die Nichte des englischen Bankiers Baring geheiratet, die ihm fünfunddreißigtausend Pfund Sterling als Mitgift einbrachte. Aber Pückler hatte sich verrechnet. Als Geschiedener hatte er hier keine Chancen. Unverrichteterdinge reiste er ab, reiste bald weiter - Reisen bedeuteten ihm viel, brachten Freiheit und Unabhängigkeit - nach Algerien, Griechenland, Ägypten.

Da ein vitaler Mann wie der inzwischen zweiundfünfzigjährige Pückler ungern so viele Reisenächte auf einsamem Lager verbringen wollte, kaufte er sich auf dem Sklavenmarkt in Kairo eine junge abessinische Schönheit, Machbuba mit Namen, nicht viel älter als zehn Jahre, aber schon voll entwickelt. Was zunächst nur ein exotisches Spielzeug war, wurde (in seinen Worten) rasch "ein Wesen", mit dem er "in Wahrheit vollkommen eins geworden" sei. Aus dem Begehren wurde innige Zuneigung. Er liebte, zum ersten und einzigen Mal in seinem Leben.

Weil er ahnte, daß sein Glück nicht ewig dauern werde, zog er die Rückreise in die Länge, zögerte die Heimkehr so lange wie möglich hinaus. Wie sollte er auch seiner Schnucke plausibel machen, daß er statt einer vermögenden Partie einen Bettschatz heimführte, als Reise-Souvenir statt englischen Reichtums eine Beischläferin vom Sklavenmarkt am Nil mitbrachte? Und als was? Als Geliebte? Oder gar als künftige Herrin von Muskau?

Mit peinlicher, kleinlauter Verlogenheit wagte Pückler die Wahrheit Lucie nur stückweise mitzuteilen. In langen Briefen spielte er ihr einen "alten Invaliden", den gebrechlichen Reisenden vor, der einer "Kammerjungfer", einer sorgfältigen Dienerin bedürfe. Es wäre herzlos, meinte er, diese "beste Seele", "das sanfte, gehorsame und hübsche arme Ding", dieses anhängliche Geschöpf, fern seiner Heimat dem Elend zu überantworten. Pückler war fest entschlossen, von seiner großen Liebe nicht zu lassen.

Lucie begriff erst nach und nach, was sich für sie zusammenbraute: eine bittere Demütigung, ein gesellschaftlicher Skandal. Vergebens versuchte sie, Pückler vor Augen zu halten, daß er auch sich selbst mit einer solchen Extravaganz blamieren werde. Inzwischen war die Machbuba auf der Heimreise in Wien todkrank geworden. Schon dort schreibt Pückler an einen Bekannten, sein einfaches Naturkind habe sich von einem blühenden braunen Mädchen in ein gelbschwarzes Skelett verwandelt. Als Sterbende kommt Machbuba in Muskau an.

Doch Lucie ist tiefgekränkt, mitleidlos, will keinesfalls in Muskau bleiben. Sie überzeugt Pückler, er müsse sie unbedingt nach Berlin begleiten. Er gehorcht seiner erzürnten Mama, furchtsam wie ein kleiner Junge, läßt die sterbende Geliebte allein, Tage, Wochen. Briefe des Arztes, die das nahe Ende ankündigen, können ihn nicht zur Rückkehr bewegen. Pückler hat Geburtstag, den er natürlich, findet Lucie, mit ihr in Berlin feiern müsse. Der treue Sohn nimmt es als Befehl und gehorcht. Als er nach Muskau kommt, ist Machbuba tot.

Pücklers Trauer ist grenzenlos. Zudem quält ihn sein Gewissen. Noch lange geht er Abend für Abend an Machbubas kleines Kindergrab auf dem Jakobskirchhof in Muskau, spricht mit der Toten. Dann verlangt das Leben neu sein Recht. Es kommt wieder zu einigen Liebschaften. Aber die Frauen spüren innere Leere, sehen seine morosen Nebel. Der Vulkan ist erloschen, er mag sich an niemanden mehr binden. Auch die Freude am Schreiben hat dieser begabte, erfolgreiche Autor verloren. Nach Machbubas Tod gibt es nichts mehr, was das Erzählen lohnt.

Der erfahrene Eckart Kleßmann hat diese kuriose, traurige Liebesgeschichte für die "Paare"-Reihe des Verlags Rowohlt Berlin so kenntnisreich wie einfühlsam, wenn auch gegen Ende vielleicht etwas weitschweifig, meisterhaft beschrieben.

Eckart Kleßmann: "Fürst Pückler und Machbuba". Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 1998. 171 S. 34 DM.
©Berliner Morgenpost 1998

 

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Eckhard Kleßmann ""Fürst Pückler und Machbuba"
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